Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)
fit bist?« Alex legt mir die Hand auf die Schulter und schaut mir in die Augen. Genau so, wie er es bei unartigen Schülern immer gemacht hat.
»Ja-ha!«, wiederhole ich genervt. »Topfit. Das ist jetzt fast zwei Wochen her, und es war nur ’ne Zerrung!«
Kopfschüttelnd wendet sich die Personalratstrulla ab, als Alex mir meine Startnummer überreicht. In der Nähe der Startlinie haben sich einige der Teilnehmer bereits zu Dehnübungen versammelt, ein paar Dutzend Zuschauer stehen hinter einer Absperrung. Ganz links sehe ich meine Verlobte mit Klara auf dem Arm, dann fällt mein Blick auf eine andere Person, die mir frenetisch zujubelt. »Möllerchen, du Hungerhaken!«
Mein Gesicht hellt sich auf, mit der Marke an der Brust laufe ich zu Geierchen.
»Mensch, wat du abjenommen hast«, empfängt er mich und schüttelt mir über die Absperrung die Hand. »Wat hast’n jemacht? Matratzensport, oder wie?«
»Ach, bloß Jogging und … ’ne Diät! Biste nachm Lauf noch hier?«
»Klaro, nu hau ma rinn!« Er schlägt mir auf die Schulter. »Und zeig der Alten mal, wo’t langjeht. Aber pass uff – die is ’ne jute Läuferin!« Dann neigt er den Kopf zur Seite und schaut an mir vorbei. »Keen Wunder – is ja och nüscht dran an dem Jestell.«
»Warum läufst du eigentlich nicht mit? Bist doch auch Sportlehrer …«
»Seh ick so aus, als würde ick freiwillich durch die Jegent flitzen?«
Auch wieder wahr.
Gemeinsam mit Alex und der dritten Teilnehmerin unserer Gruppe, einer etwas stillen, aber durchaus sympathischen jungen Lehrerin, begebe ich mich schließlich an die Startlinie. Dann hält ein Mann am Rand des Felds eine Schreckschusspistole in die Luft. »Auf die Plätze, fertig …«
Als der Schuss losgeht, habe ich zuerst etwas Mühe, in dem Gerangel voranzukommen, doch schon nach wenigen Metern hat sich das Menschenknäuel entzerrt. Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr, denn mein plapperndes Telefon wollte ich hier nicht zum Einsatz bringen. Nach ein paar Minuten habe ich das Gefühl, mein Tempo gefunden zu haben, lasse Alex hinter mir, laufe aber unserer jungen Kollegin hinterher; die Personalrätin ist längst nicht mehr zu sehen.
Soweit ich es einschätzen kann, befinden wir uns im guten Mittelfeld. Als ein Schild am Rand nach zehn Minuten den zweiten Kilometer anzeigt, spüre ich den Schmerz in meinem Knöchel doch wieder recht deutlich. Ein Arzt hätte mir von der Teilnahme bestimmt abgeraten, deswegen habe ich keinen konsultiert. Außerdem bin ich in meinem Leben schon so oft umgeknickt, dass meine Gelenke immer lustige Geräusche machen, wenn ich die Füße kreisen lasse – alles kein Grund zur Sorge. Anstatt mich auf den maladen Knöchel zu konzentrieren, lasse ich mich sowieso viel lieber von den verschiedenen Lauftypen ablenken, die mir auf der Strecke begegnen.
Kilometer drei: Neben mir hüpft eine Frau wie eine Gazelle über den Asphalt. Leichtfüßig und elegant macht sie riesige Schritte, dürfte sich aber rein theoretisch bei jedem Bodenkontakt die Bandscheiben zermalmen.
Kilometer fünf: Mein Knöchel tut immer heftiger weh. Das war beim letzten Training auch so, also alles in Ordnung. Die Schuhe eines anderen Läufers lenken mich wieder vom Schmerz ab: Sie sind aus Gummi und Neopren und bieten jeder Zehe ein eigenes Fach. Ich nenne ihn den Froschläufer. Sein Schuhwerk kenne ich schon aus dem Internet: Barfußschuhe, ganz neu – auch auf der Liste meiner Lieblingsoxymora. Kommt nun gleich nach Hassliebe und Leben nach dem Tod .
Kilometer sechs: Eine Frau vor mir läuft, als hätte ihr jemand die Arme am Hosenbund festgeknotet. Das geht doch eigentlich gar nicht! Ich hole meine nette Kollegin ein und bekomme am Rand einen Becher Wasser, den ich mir zur Hälfte in den Mund und zur Hälfte über den Kopf schütte. Komme mir dabei vor wie ein echter Marathonläufer. Cool.
Kilometer acht: Wegen der Schmerzen muss ich mein Tempo etwas drosseln, liege aber mit weniger als vierzig Minuten ziemlich gut in der Zeit. Der Tipp aus dem Internetforum für vegane Sportler scheint zu funktionieren: Am Abend vor dem Lauf massenweise Spaghetti mit Tofu-Bolognese essen, das gibt Energie. Außerdem schmeckt dieses Essen fast wie mit echtem Hack. Äh … besser, mein ich natürlich! Der lustigste Läufer der letzten tausend Meter erinnert mich an eine Figur aus Terry Pratchetts Scheibenweltromanen und bewegt sich so schlaksig, als hätte er vier Ellenbogen und sechs Knie.
Kilometer neun: Ich
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