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Binärcode

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Titel: Binärcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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bleib doch mal einen Moment stehen, sie ist …«
    Weiter kam Brecker nicht, Rünz stand schon im Besprechungsraum und zog die Tür hinter sich zu.

     
    Die spanische Inquisition. Drei Männer und zwei Frauen saßen im Halbrund um einen leeren Stuhl herum, der für den Delinquenten reserviert war. Rünz spekulierte einen Augenblick, ob Hoven eine Art Personal-TÜV eingeführt hatte, um die Mitarbeiter des gehobenen und höheren Polizeivollzugsdienstes regelmäßig auf ihre Diensttauglichkeit zu testen. Er grüßte in die Runde, überblickte dabei schnell die Gesichter, konnte außer Hoven und der zuständigen Staatsanwältin Simone Behrens keinen Bekannten entdecken. Alle machten den Eindruck von Menschen, die gewohnt waren, dass Subalterne ihre Anweisungen befolgten.
    Hoven stellte ihm die Runde vor, fummelte dabei nervös an seinem Montblanc-Stift. Rünz vergaß die Namen sofort wieder, merkte sich nur die Positionen – Abteilung Innere Sicherheit der Generalbundesanwaltschaft, Abteilung Materieller Geheimschutz des Militärischen Abschirmdienstes, der Leiter irgendeiner Forschungsgesellschaft in Bad Godesberg, Direktorin Operative Aufklärung des Bundesnachrichtendienstes, Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes. Und die stellvertretende Generalbundesanwältin. Die Einzige, die Rünz nicht zur Begrüßung zunickte. Sie studierte konzentriert ihre Unterlagen, bis Hoven mit seiner Vorstellungsrunde durch war. Dann musterte sie Rünz über den oberen Rand ihrer Lesebrille hinweg. Sie war um die 60, hatte glatte, schulterlange graue Haare und einen leuchtend roten Lippenstift aufgetragen. Rünz konnte sie sich gut als Domina in einer Seniorenresidenz vorstellen. Er senkte den Kopf ein wenig und imitierte ihren Blick, aber sie schien immun gegen derlei kleine Späße.
    »Herr Rünz, ich nehme an, ich muss ihnen keine Nachhilfestunde über das Evokationsrecht der Generalbundesanwaltschaft halten. Die Tötungsdelikte an Charlotte de Tailly, Tommaso Rossi und Yvonne Kleinert gelten mit sofortiger Wirkung als gekorene Staatsschutzdelikte im Sinne des § 120 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz. Die Leitung der Ermittlungsverfahren wird gebündelt und obliegt ab jetzt Herrn Klöber vom Bundesgerichtshof .«
    Rünz brach der Schweiß aus, er hatte Mühe, sich zu kontrollieren. Warum Yvonne? Er war am Vorabend ihr letzter Kunde gewesen. Hatte er Spuren hinterlassen? Hatte sie irgendwo eine Telefonkladde mit seiner Nummer? Wenn ja, dann hatte sie Brecker und ihm Pseudonyme gegeben, ›der Stier‹ und ›der Grantler‹ oder so, aber die Nummern würden sie verraten. Habichs Team würde in ihrer Wohnung Fingerabdrücke und genetische Spuren von 50 oder 60 Männern finden, aber niemand würde Rünz um eine Vergleichsprobe bitten, wenn keine Anhaltspunkte für eine Verbindung vorlagen. Und Brecker würde den Mund halten, sie waren schließlich Buddys. Mit etwas Glück wurde sein kleines Geheimnis nicht gelüftet. Wer hatte sie umgebracht? Und warum interessierte sich die Generalbundesanwaltschaft für einen Mord an einer Prostituierten? Welche Verbindung stellten sie zu den Morden an Rossi und Charli her? Der einzige Link war er. Er versuchte, seinen Besuch bei ihr genau zu rekonstruieren. Sie war guter Laune gewesen, keine Anzeichen von Angst oder innerer Unruhe. Sie hatte die Tür ihrer Praxis hinter ihm abgeschlossen, er hatte das Haus verlassen und war in sein Auto gestiegen. Beim Ausparken hatte er mehrmals vor- und zurücksetzen müssen, weil ihn irgendein Idiot zugeparkt hatte mit einem schwarzen, kantigen G-Klasse-Merce…
    Hoven intervenierte, bevor er aufspringen konnte.
    »Nur zu Ihrer Information, Herr Rünz – Ihre Frau steht seit zwei Stunden unter Polizeischutz .«
    Die verdammte Telefonkladde. Und Stadelbauer? Getreu seiner Aufschiebe-Doktrin hatte Rünz noch keinerlei Aufzeichnungen oder Protokolle über Kontakte mit dem Hobbyastronomen angefertigt. Wenn er jetzt um Schutz für ihn bat, versiegte seine letzte Informationsquelle. Herr Klöber unterbrach seinen Gedankengang. Der Mann vom Bundesgerichtshof sah so aus, wie er hieß, ein untersetzter kleiner Wadenbeißer mit Fistelstimme und einem spießigen Schnauzer, der die alte OP-Narbe einer Hasenscharte kaschierte.
    »Herr Rünz, im Sinne einer sofortigen Aufnahme der Ermittlungstätigkeit durch den Bundesgerichtshof ist es zwingend erforderlich, uns sämtliche Dokumente, Ermittlungsakten, Protokolle, Aufnahmen und Untersuchungsergebnisse zur Verfügung zu

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