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Binde Deinen Karren an Einen Stern

Binde Deinen Karren an Einen Stern

Titel: Binde Deinen Karren an Einen Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Lukas
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1982). Ihre Ausführungen passen heute, 30 Jahre später, immer noch zu den Trends der westlichen Kultur. Cynthia Gordon zeigte darin auf, dass die philosophische Einsicht, das Leiden gehöre zu jedem menschlichen Leben unabdingbar dazu, zunehmend schwindet. Die Erfahrung, dass ein Leiden sogar eine positive Auswirkung haben kann, indem es einen Leidenden „wachrüttelt“ und dadurch mit einer Erkenntnis in Berührung bringt, die er anderenfalls nicht gewonnen hätte, wird sogar belächelt. Alles Unangenehme gilt als unvorhergesehener Lapsus, der nicht passieren hätte dürfen; geistig-seelisches Unbehagen wird zum Ergebnis falscher Verhaltensstrategien, schlechter Nerven und verkorkster Persönlichkeitsbildung degradiert. Man tut, als könne im menschlichen Leben ein Dauerzustand intensiven Wohlbehagens erwartet werden, wohingegen schmerzliche Erlebnisse psychischen Dysfunktionen gleichen, die einer therapeutischen Korrektur bedürfen. Ein Paradebeispiel dafür ist die Zuordnung der depressiven Stimmung „Trauer“ zur Kategorie „Anpassungsstörungen“ im (heute noch gültigen) ärztlichen Diagnoseschema ICD 10. Eine Witwe, die um ihren Mann trauert, hat sich an ihr Witwendasein eben nicht genug angepasst …
    Der moderne Mensch hat vital und tüchtig zu sein, wenn er den Anspruch erheben will, psychisch okay zu sein. Wer sich mit Kummer, Sorgen und Kränkungen herumquält, ist neurotisch, denn er braucht sich damit ja nicht zu beschäftigen. Das Leiden ist in unserer fortschrittlichen Industriegesellschaft zu einem unbequemen Betriebsunfall, zu einem persönlichen Schwächeanfall geschrumpft, so Gordon.
    Dieser Auffassung vom Leiden entsprechen aktuelle Leidbeseitigungsmodelle in der Psychotherapie. Es steht kaum mehr das Ringen mit einem unbegreiflichen Schicksalsschlag im Vordergrund der Gespräche, so wie Hiob einst mit seinem Gott gerungen hat, sondern es geht vorrangig um die Elimination eines lästigen Begleitgefühls, das ein Individuum befallen hat und an seinem Glück hindert, es geht um das Loswerden emotionaler Staus und um künstliche Ruhigstellung im Stress. Ein Paradebeispiel dafür sind diverse Verkaufshits aus Japan zur „Aggressionsentsorgung“. Da gibt es 45 cm große Puppen, auf deren Köpfe ein Foto vom Gesicht des Ehepartners geheftet werden kann. Hat man sich einmal über den Partner kräftig geärgert, soll man der Puppe mit der Faust ins Gesicht schlagen. Sie ruft dann mit weinerlicher Stimme (weiblicher oder männlicher, je nach Knopfdruck): „Du hast völlig recht, bitte verzeih mir!“ Dieses Anti-Stress-Spielzeug soll angeblich wutschnaubende Ehemänner und -frauen wunderbar entspannen. Eine ähnliche Variante ist der sogenannte „Rächer“, ein Gerät, das auf dem Armaturenbrett eines Autos befestigt wird. Ärgert sich der Autofahrer über einen anderen, der ihm den Weg abschneidet oder mit einem schnelleren Wagen vorfährt, kann er einen Schalter des Gerätes betätigen. Lautstark ertönt dann das Geräusch einer Maschinengewehrsalve. Dieses Gerät wird insbesondere für Berufsfahrer im chaotischen Großstadtverkehr als unentbehrlich gepriesen.
    In der Logotherapie stehen wir solchen Psychobehelfen und den ihnen zugrunde liegenden Denkmodellen skeptisch gegenüber. Dem menschlichen Dasein eignet eine tragische Struktur, die über den rein kreatürlichen Schmerz, wie er auch im tierischen Dasein vorkommt, hinausreicht. Auf menschlicher Ebene ist das echte Leiden stets verbunden mit einem
Werteverlust.
    Wo immer geistig-seelisch zutiefst gelitten wird, wird gelitten – um willen von etwas! Man trauert etwa um einen geliebten Angehörigen, aber nicht nur, weil man sich ohne ihn verlassen fühlt, sondern man trauert mit um
seine
positiven Möglichkeiten, die er nicht mehr realisieren kann.
    Man trauert um etwas Schönes, Gutes, Wertvolles in der Realität, das verlustig ging, das sich weiterer Verwirklichung entzieht.
    Nehmen wir das Beispiel „Ehekrach“. Die Beteiligten leiden daran, dass ihre harmonische Partnerschaft getrübt worden ist, dass ein Schatten auf sie gefallen ist. Wenn sie nun auf Puppen einschlagen, um „Dampf abzulassen“, und diese Puppen sich jämmerlich entschuldigen, ändert sich deswegen in der Realität nichts; der Ehe-Schatten ist nach wie vor da. Im Gegenteil, sofern die Puppen
mehr
als Spielzeug sind, nämlich Stellvertretungscharakter haben, treffen die Schläge symbolisch den Partner, was die Partnerschaft eher zerschlägt als kittet.
    Dasselbe

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