Binding, Tim
Fischform.
Und auf einmal wurde mir klar, warum ich sie Mini Ha Ha getauft habe.
Unterbewusst hatte ich sie wohl mit Indern in Verbindung gebracht. Sie hat so
eine Aura, die mir sagte: indisch. Das heißt, eigentlich nicht indisch, sondern Indien. Ich hätte
sie Mutter nennen sollen.«
»Mutter?«
»Nach Mutter Teresa. Sehen Sie sich ihre Augen an, Al. Sie
hat einen Körper wie ein junges Filmsternchen, ja, aber ihre Augen sind
haargenau die von Mutter Teresa. Sanftmütig, das ist der richtige Ausdruck.«
»Nun ja, ich...«
Er packte meinen Arm. »Sehen Sie! Sehen Sie, wie sie da
über dem Stein hockt, nicht mal ihre weiche Farbgebung kann es verbergen, ihre
Vergangenheit kommt durch. Bemerken Sie die Ähnlichkeit?«
»Na, jetzt, wo Sie's sagen. Als ich das Foto auf Ihrem
Handy gesehen hab, da dachte ich, sie kuckt wirklich ein bisschen überheblich...«Ich
fing seinen Blick auf.»... nicht direkt überheblich, aber anders,
kompromisslos, als wäre sie was Besseres.«
»Genau, Al, ganz genau! Nicht verwunderlich, oder? Denken
Sie doch nur an all die guten Werke, die Mutter Teresa getan hat, die vielen
Kinder in Lagern untergebracht und von einer Schale Reis die Woche gelebt. Wie
viele von uns haben ihr Leben solchen Dingen geweiht? Das hier ist Mutter
Teresas Lohn für die vielen guten Werke, Al: als preisgekrönter Karpfen
zurückzukehren, gehegt und gepflegt und mit der Hand gefüttert zu werden, von
mir, einem ihrer größten Bewunderer.«
»Es sind schon seltsamere Dinge geschehen, schätz ich«,
sagte ich. »Haben Sie das sonst noch jemandem erzählt, Inspector? Ihren
Vorgesetzten zum Beispiel?«
»Adam, Al. Adam. Die Förmlichkeiten können wir uns doch
jetzt sparen. Wir sind jetzt Gleichgesinnte in Sachen Fisch. Nein, das würden
sie nicht verstehen. Sie halten mich sowieso schon für leicht verrückt, dass
ich Kois halte.« Er lachte, verstummte dann jäh, wurde schlagartig ernst. »Ich
habe nie geglaubt, dass Sie's waren, wissen Sie, nicht eine Sekunde. Deshalb
hab ich Torvill und Dean auch ausstopfen lassen und Ihnen ins Gefängnis
geschickt, als eine Art Solidaritätsbekundung, von einem Fischliebhaber zum anderen.«
»Ach ja. Ich wollte das eigentlich schon früher ansprechen.«
Ich schob eine Hand in die Tasche, holte ein Scheckbuch heraus. »Was bin ich
Ihnen schuldig? Für das Ausstopfen.«
Er winkte ab. »Al, bitte. Das war doch wohl das Mindeste,
was ich tun konnte. Er hat gute Arbeit geleistet, finden Sie nicht auch?«
»Großartig. Ich hab Torvill wieder auf den Kaminsims
gestellt. Dean hatte einen kleinen Unfall. Ein Jammer, aber wenn ich mich
zwischen den beiden hätte entscheiden müssen, wäre die Wahl auf Torvill
gefallen.«
Er seufzte. »Ein Jammer, dass Ehefrauen nicht wie Fische
sein können. Fische sehen hübsch aus, sie bewegen sich anmutig durch deine
Hände hindurch, und sie können
mit dir kommunizieren, ohne auch nur ein Wort zu sprechen.
Ich meine, wann haben Sie sich das letzte Mal mit einem
Fisch gezofft?«
Darauf fiel mir keine Antwort ein.
Zurück im Bungalow ging ich in den kleinen Schuppen hinter
der Garage, um den Spaten zu holen. Es war an der Zeit, den Teich zu retten,
ihn wiederzubeleben. Zu meiner Überraschung hatte Audrey die Pumpen und den übrigen
Kram nicht weggeworfen, wie ich gedacht hatte, sie hatte sie lediglich in ein
paar alten Kisten verstaut. Mit ein bisschen Glück könnte ich, sofern die
Elektrik nicht im Eimer war, alles im Nu wieder am Laufen haben. Ich musste
wahrscheinlich neue Filter kaufen und so, den Wasseranschluss reparieren, aber
davon abgesehen, kein Problem.
Draußen im Garten buddelte ich als Erstes die verkohlten
Reste des Feuers aus. Ich stieß auf ein großes Stück Holz, das nicht ganz
verbrannt war, dunkel und glatt und leicht gebogen, vorne mit einer Spalte und
am hinteren Ende mit einem Teil, das ein bisschen hochstand. Heilige Scheiße,
dachte ich, das Ding sieht genauso aus wie ein Hai. Man konnte förmlich sehen,
wie er an Deck eines Fischkutters zappelte und darauf wartete, dass ihm einer
den Gnadenstoß gab. Ich nahm es in die Hand, begutachtete es. Es war stabil,
etwa einen Meter lang, ziemlich schwer. Ich lehnte es an die Mauer, die
irgendwer zwischen meinem Haus und dem der Stokies gezogen hatte, genauer
gesagt dem von Michaela, die jetzt da wohnte. Wenn ich an dem Spalt vorn ein
bisschen rumschnitzte, dem Hai ein paar anständige Zähne verpasste, konnte ich
ihn bei der Nymphe aufstellen, so, als würde er
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