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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
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jeden Moment hochspringen und
sich an ihr festbeißen. Bonsai! Es wartete noch allerhand Arbeit auf mich, in
künstlerischer Hinsicht, am Teich und in seiner Umgebung, aber es wäre ein
Anfang.
    Ich ging in die Küche und fand das alte Tranchiermesser,
mit dem mir Audrey immer vor der Nase herumgefuchtelt hatte, wenn sie ein paar
intus hatte, wie gehabt hinten in der Schublade. Sie hatte dafür gesorgt, dass
es immer schön spitz war, damit sie es als Zahnstocher benutzen konnte, wenn
wir Schwein gegessen hatten. Ich testete die Klinge. Perfekt, als hätte sie es
eben erst geschärft. Ich ging damit in den Garten und machte mich ans Werk,
schnitzte schön gezackte und spitze Zähne, stach dann zwei fies aussehende
Schlitze als Augen. Nach höchstens vierzig Minuten war ich fertig. Ich trat
zurück und schaute ihn mir aus einiger Entfernung an, wie Miss Prosser uns das
beigebracht hatte. Es war unheimlich. Er sah glatt durch dich hindurch, als
wärst du schon tot.
    Dann kam mir die Erleuchtung: Falls Rump mit seiner
Bemerkung recht hatte, dann bot sich hier eine echte Chance für mich. Ich
konnte Fische machen. Ich wusste, wie sie aussahen, wie sie sich bewegten. Ich
würde in erster Linie Karpfen machen, weil ich daran am meisten Spaß hatte,
aber wenn das Ergebnis eher wie ein Hai oder ein Kabeljau ausfiel, auch gut,
dann hatte ich das eben von vornherein beabsichtigt. Ich hatte keinen Bock auf
Ölbilder oder Aquarelle (ich meine, welcher Mann malt schon mit tuntigen
Wasserfarben herum?), aber dieses Skulpturengedöns bot da doch eine ganz andere
Perspektive. Blind Lionel, Wools führender Unisex-Friseur, wohnte in einem
Eisenbahnwaggon, umgeben von alten Eisenbahnschwellen. Ich könnte sie ihm
abkaufen, mir Mickey Travers' Kettensäge ausborgen und loslegen. Supertolle
Karpfen würde ich machen, sie in all ihren wunderbaren Farben bemalen, Blau
und Grün und mit dicken roten Flecken. Ich würde mit Torvill und Dean anfangen,
sozusagen zu ihrem Gedächtnis, und dann mit anderen weitermachen, eine ganze
Koi-Galerie anfertigen, sie alle um den Teich herum aufstellen, als würden sie
ihn bewachen, mit dem einen oder anderen Hai dazwischen, um alle schön auf
Trab zu halten. Und scheiß auf Henry Moore. Er mochte ja mit Hammer und Meißel
ganz geschickt gewesen sein, aber durch meine Fische würde ich keine großen
Löcher schlagen, prägender Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts hin oder her.
Sie würden richtige Fische sein. Könnte man sie mit einem Zauberstab zum Leben
erwecken, würden sie schwimmen. Würde man einer von Henry Moores schrillen
Frauen Leben einhauchen, müsste man sie für den Rest ihrer Tage an
lebenserhaltende Apparate anschließen, dicke Möpse hin oder her.
    Ich hörte ein Husten und drehte mich um. Mrs Blackstock
stand direkt hinter mir, mit einer braunen Schachtel in der Hand.
    »Das Tor war offen. Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse.«
Sie drückte mir die Schachtel in die Hand. »Duncans Autohandschuhe«, sagte sie.
    Ich packte sie aus. Sie passten wie angegossen, dünnes
schwarzes Leder, wie eine zweite Haut.
    »Mörderhandschuhe hat er sie genannt«, sagte sie. »Er hat
sie kaum getragen.«
    »Sie sind zu gut zu mir, Mrs B.« Ich beugte mich vor und
gab ihr einen Kuss. Ich küsste die Alte gern. Ihr gefiel es auch. Dann sah sie
den Hai. Sie stieß einen spitzen Schrei aus, als hätte er sie schon gebissen.
    »Was zum Teufel ist das?«
    »Hab ich es Ihnen noch nicht erzählt? Ich gehe in die
Kunstbranche. Das ist mein erstes Werk. Es ist noch nicht ganz fertig. Ich
werde hauptsächlich Fische machen, Mrs B. Fische und Hummer.«
    »Das ist aber ein ziemlich begrenztes Repertoire. Sie
sollten es vielleicht auch mit anderen Motiven probieren, anderen Formen,
Figuren. Sie haben ein Auge für Frauen, Al, das wissen wir alle.«
    »Die ist inzwischen zu Tode geritten, Alice, die weibliche
Form. Aber Fische. Ist Ihnen klar, dass Fische das letzte Thema sind, das uns
Künstlern noch geblieben ist? Keiner hat bisher Fische gemacht. Und wir leben
hier in einer Fischgegend. Deshalb kommen Leute hierher, wegen des Meeres,
wegen der Fische. Ich stoße in eine Marktlücke.«
    »Damien Hirst.«
    »Wer?«
    »Damien Hirst. Der hat Fische gemacht. Sein Hai im
Glastank ist ziemlich berühmt.« Sie ging zu dem Hai. »Was soll das sein?«
    »Ein Delfin.«
    »Im Ernst?« Sie ging ganz nahe ran. »Delfine lächeln normalerweise.
Die sehen nicht so bösartig aus wie der da.«
    »Er ist wütend. Sein Kumpel wurde

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