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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
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gerade von einem japanischen
Walfänger abgemurkst.«
    »Er sieht eher wie ein Hai aus, Al.« Sie starrte mich an.
Ich weiß nicht, warum, aber es fiel mir schwer, sie anzulügen.
    »Na schön, ehrlich gesagt, es sollte auch ein Hai werden,
aber wenn dieser Hirst schon welche gemacht hat ... Ich will mir nicht
vorwerfen lassen, dass ich irgendwen kopiere.«
    Mrs B tätschelte mir den Rücken. »Da brauchen Sie sich
keine allzu großen Sorgen zu machen. Damien Hirsts Hai ist keine Darstellung
von einem Hai«, klärte sie mich auf. »Es ist ein Hai.«
    »Ein echter?«
    »Ja, in Formaldehyd.«
    »Dann geht es dabei also nicht um die Kunst, ihn wie einen
Hai aussehen zu lassen.«
    »Absolut nicht.«
    »Damit wäre meiner hier etwas Neues.«
    »Durchaus möglich.«
    »Na, wunderbar. Ein gnadenloser Killer der Tiefe ist er.
Ich wollte das Werk >Auwei der Hai< nennen. Wie finden Sie das?«
    »Herausragend, Al.« Ein besseres Wort hätte sie nicht
wählen können.
    »Es ist eben mein erstes Werk, mit dem ich an die Öffentlichkeit
gehe. Wie wär's mit einem Gläschen zur Feier des Tages? Ich hab inzwischen was
Anständiges zu trinken da, Bier, Wein, Hochprozentiges. Ah, ich weiß, was
halten Sie von einem kleinen Sherry und einem Stück Obstkuchen?«
    Sie verschränkte die Arme, legte den Kopf auf die Seite,
als wäre sie amüsiert.
    »Ich hätte Sie nie für einen Sherrytrinker gehalten, Al.«
    »Ich? Ich mag einen anständigen Tropfen, wenn er schön gekühlt
ist. Nicht das süße Zeugs, das Audrey immer mit ins Bett genommen hat, sondern
richtigen spanischen Sherry, blassgelb, mit ordentlich Umdrehungen. Ehrlichen,
aufrechten Sherry.«
    Ich ging ins Haus, nahm den Manzanilla aus dem
Kühlschrank, holte zwei anständige Gläser und den Kuchen, den ich im
Supermarkt besorgt hatte, und schleifte schließlich die beiden Picknickstühle,
die Audrey mal gekauft hatte, aus der Garage. Wir saßen in der Mittagsluft,
mampften den Kuchen, tranken den Sherry, betrachteten den Hai. Wir sprachen
kein Wort. Das war auch nicht nötig. Wir dachten beide an die Zukunft, daran,
was sie bereithalten mochte. Der Himmel war klar, aber es waren Wolken im
Anmarsch, das wussten wir beide. Dann hielt sie es nicht mehr aus.
    »Und, was haben Sie jetzt für Pläne, Al? Wollen Sie hierbleiben?«
    Sie versuchte, ungezwungen zu klingen, aber ich konnte es
trotzdem raushören. Ihr graute davor, dass ich Nein sagte. Sie war gern mit mir
zusammen. War das zu fassen? Nach dem, was ich ihr angetan hatte, war sie gern
mit mir zusammen.
    »Es spricht nichts dagegen«, sagte ich. »Ich krieg ein
bisschen Bares, ich fang an, ein paar von denen da zusammenzukloppen, ich
könnte in der Touristensaison vielleicht einen Fisch pro Monat verkaufen. Was,
meinen Sie, könnte ich für einen in der Größe verlangen? Zweihundert?«
    »Sie sollten sie lieber nicht zu groß machen, Al, falls
Touristen sie mit nach Hause nehmen wollen.«
    »Sehr scharfsichtig von Ihnen, Alice. Irgendwas, was sie
sich auf den Dachgepäckträger schnallen können, das sollte ich anpeilen.«
    »Oder auf den Kaminsims stellen. Und vielleicht einen Tick
weniger bedrohlich?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Ich bin Künstler, Mrs B. Wie meine Kunstlehrerin Miss
Prosser immer gesagt hat, ein Künstler sollte nicht nach Kompromissen streben.
Ich kann nur das gestalten, was ich fühle. Das liegt an meinem räumlichen
Vorstellungsvermögen.«
    Sie nickte. »War sie gut, diese Miss Prosser?«
    »Erste Sahne. Zart, wissen Sie, wie ein Rehkitz, auch
hübsch wie ein Rehkitz, gesprenkelt und zierlich. Hatte noch dazu ordentlich
Mumm, so ein junges Ding, und solchen Rohlingen wie uns ausgeliefert.«
    »Al, ich habe den Verdacht, Sie waren ein bisschen verliebt
in sie.«
    »Alle waren ein bisschen verliebt in sie, Mrs B. Wir mochten
sie ein bisschen zu sehr, und sie mochte uns auch ein bisschen zu sehr.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Gefährliche Männer. Ich glaub, sie fand es erregend, in
ihrer Nähe zu sein. Einmal hab ich versucht, sie zu warnen. Danach fand sie es
noch aufregender.«
    Sie tippte mir auf die Schulter.
    »Aber Sie sind nicht gefährlich, Al. Sie sind ein Schwerenöter,
mehr nicht.«
    Ich goss uns noch ein Glas ein. Das wievielte war das?
Nummer zwei, drei? Ich hatte nicht mitgezählt. Von der Sonne im Gesicht wurde
mir schwindelig. Alice hatte die Augen geschlossen. Ich schloss meine auch,
ließ meinen Gedanken freien Lauf. War ich gefährlich? Wer wusste das schon?
Hier saß sie, die alte

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