Binding, Tim
Hälfte. Ich hab sein Haus gesehen,
seinen Garten und seinen prämierten Fisch. Er hat übrigens nicht seine Mutter
als Fliesen unten drin, sondern Mutter Teresa. Er glaubt, der Fisch ist sozusagen
ihre Reinkarnation.«
Sie schnaubte verächtlich.
Ȇberrascht mich nicht. Er hatte mal einen, von dem er
dachte, er sähe aus wie Glenn Miller. Hat ihm In the Mood über die Lautsprecher vorgespielt,
jeden verdammten Abend. Das ist eine gute Nachricht. Dann wird er erst recht
ohne Widerrede bezahlen.«
Ich sagte nichts. In the Mood - in Stimmung. Audrey hatte das
immer gesagt, aber was ganz anderes gemeint. Und ich auch. Auf der anderen
Seite der Mauer rückte Mrs Rump ihren Hut zurecht. Ich spürte, wie ich selbst
ein wenig in Stimmung kam.
»Wird ein gehöriges Stück Arbeit werden, den Fisch zu
kidnappen«, sagte ich. »Sie haben mir verschwiegen, dass er in einer Sackgasse
in Copville-by-the-Sea wohnt. Die ganze Nachbarschaft besteht nur aus Bullen.«
»Na und?«
»Na und? Bullen halten für gewöhnlich nicht besonders
viel von Leuten, die bei ihresgleichen uneingeladen auftauchen, um ein bisschen
zu klauen. Das geht ihnen gegen den Strich, weil sie dann blöd dastehen, weckt
in ihnen den Wunsch, deinen Langfinger-Arsch an die Wand zu nageln. Außerdem
hat Ihr Göttergatte so ein Infrarotzeugs, das alles Mögliche aktiviert, sobald
man einen Fuß reinsetzt, Musik, Licht, japanisches Gejammer, die ganze Palette.
Wenn ich da hinfahre und mit einem Kescher unterm Arm in den Garten spaziere,
fallen die Bullennachbarn über mich her, noch ehe ich die Gummistiefel nass
habe. Und sie werden mich bestimmt nicht mit Nachsicht behandeln. Sie werden
denken, ich hege einen Groll gegen ihn.«
»Na, tun Sie das denn nicht?« Sie war aggressiv, streitlustig,
als wäre das alles meine Idee gewesen.
»Nicht so wie Sie. Hören Sie, ich halte hier meinen Kopf
hin, als Teil der Abmachung, aber Sie müssen mir noch mehr über die Frau
erzählen, die Sie damals gesehen haben.«
Sie blieb ungerührt. »Ich brauche einen Beweis dafür, dass
es Ihnen ernst ist mit diesem Unternehmen, Mr Greenwood. Ich bin nicht eine von
Ihren kleinen Eroberungen, die Sie zappeln lassen können.«
Ich nahm den Spaten in die Hand. »Was meinen Sie wohl,
wofür ich den hier brauche? Um in der Nase zu bohren?«
»Ich hatte eigentlich gehofft, Sie brauchten den, um diesen
Schandfleck zu vergraben, der da an meiner Mauer lehnt«, gab sie zurück und
deutete auf den Hai.
»Ich wollte gerade anfangen, den Teich auszuheben. Wenn
ich den Fisch klaue, sorge ich dafür, dass ihm nichts passiert. Kapiert?«
Sie überlegte einen Moment. »Kapiert.«
»Er geht in demselben Zustand an Ihren Mann zurück, wie er
ihn verlassen hat. Also, als Erstes muss ich den Teich ausheben, ihn fertig
machen. Damit fang ich heute Nachmittag an. Sie könnten sich nützlich machen,
wenn Sie wollen, überzuckerte Limonade besorgen oder so, mit einem kalten Glas
rübergetrabt kommen, sobald mir danach ist. Das hier wird ein Weilchen dauern.«
Sie sah mich fast mitleidig an. »Ich bin eine kräftige
Frau, Mr Greenwood. Wussten Sie das nicht? Ich wollte mich heute Nachmittag im
Fitnessstudio anmelden, aber wenn Sie Muckis brauchen ...«
Sie legte eine Hand auf die Mauer, schwang sich mir
nichts, dir nichts drüber und landete auf den Füßen, als wäre sie über so ein
komisches Turnpferd gesprungen. Sie klatschte in die Hände und nahm mir den
Spaten weg. »Wo soll ich anfangen?«
Ich stand da und sah sie an. Unter der rosa Jacke trug sie
eine hellbraune Jeans über nagelneuen Sportschuhen.
»In dem Aufzug können Sie nicht graben«, sagte ich.
»Nein?« Sie trat auf mich zu, fasste mich am Kinn. Das
hatte schon lange niemand mehr gemacht.
»Ich kann graben in was ich will, Mr Greenwood«, sagte
sie. »Das sind nämlich meine Klamotten. Ich kann sie anziehen, ich kann sie
ausziehen. Ich kann darin reiten gehen, ich kann darin in die Oper gehen, ich
kann darin sogar von einer Klippe springen. Meine Klamotten, mein Körper. Das
nennt man die Entscheidungsfreiheit einer Frau.«
Sie hängte die Jacke über die Mauer und setzte der Nymphe
den Hut auf. Als ich mit einem zweiten Spaten aus dem Schuppen zurückkam,
pflügte sie sich bereits durch den Boden wie durch irischen Torf. Die letzte
Frau mit solchen Muskeln, die ich gesehen hatte, war eine Boxerin auf der
Kirmes im Weymouth gewesen. Kein Wunder, dass Michaela ihr Steak blutig aß.
Ich ging auf die andere Seite, fing von
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