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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
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Hauptschlafzimmer hatte sie zwei Outfits aus dem
Schrank genommen und an die Türgriffe gehängt. Diesmal lag auf dem
Nachttischchen keine Postkarte, aber einer von Audreys Golfschlägern lehnte
dagegen, die kleine Schottenmustersocke noch über den Kopf gestülpt.
Vielleicht sollte ich doch besser nicht unangekündigt hereinschauen. Ein Badeanzug
hing über dem Frisierkommodenspiegel, weiß, in Nierenhöhe ausgeschnitten, auf
dem Tisch darunter ein zusammengedrückter, mit Selbstbräuner beschmierter
Wattebausch. Ich kapierte. Sie hatte sich den Badeanzug angezogen, sich
aufgehübscht.
    Das Wohnzimmer sah genauso aus wie zuvor, bis auf eins:
Die Karte von Rumps Haus, die auf dem Glastisch in der Mitte gelegen hatte, war
verschwunden, und stattdessen lagen ein paar Urlaubsprospekte darauf
ausgebreitet, genauer gesagt, Kreuzfahrtbroschüren. Einige Reiseziele hatte sie
mit dem Kuli unterstrichen, der danebenlag, Karibik, Rio. Manche Deckblätter
waren resolut durchgestrichen worden, die griechischen Inseln, die
norwegischen Fjorde. Auf der Broschüre für die Fahrt nach Durban waren rote
Kringel um sämtliche Fahrttermine für die nächsten sechs Monate. Sie bekam
langsam Heimweh.
    Ich ging in die Küche. Alle Tassen an den Haken, alle
Teller sauber und ordentlich gestapelt, die Töpfe ineinandergestellt, sämtliche
Griffe in dieselbe Richtung gedreht. Falls sie hier gegessen oder sich Tee gekocht
hatte, dann hatte sie die Spuren gut verwischt. Sogar die Frühstückshocker
sahen aus, als hätte noch nie jemand darauf gesessen. Ich öffnete die
Spülmaschine. Blitzblank. Keine Milch im Kühlschrank, keine Krümel im Toaster.
Das hier war kein Zuhause, nicht mal auf Zeit. Es war ein Museum.
    Ich weiß nicht, was der Auslöser war, vielleicht das rosa
Teil, das da so völlig leer am Heimtrainer hing und auf einen Körper wartete,
der nicht kam, vielleicht die Stille des Hauses, die nackte Leere, vielleicht
die weiße Gefriertruhe, die da so ganz allein und glänzend stand, so leise, so
voller Geheimnisse, jedenfalls wusste ich auf einmal, dass sich in diesem
Bungalow irgendwas befand, das hier nicht sein sollte. Ich konnte es spüren.
Ich ging zur Gefriertruhe, hob den Deckel, hob ihn langsam, wie bei einem Sarg.
Ich wusste nicht, was ich erwartete, Torvill, Dean, vielleicht sogar meine
Miranda, kalt und perfekt wie eine Eisprinzessin, doch ich war nicht
sonderlich überrascht, als ich die Pappschachtel mit dem hochstehenden
Pappgriff ganz unten drin liegen sah. Die fehlende Toblerone Nr. 2. Michaela
hatte sie anscheinend an dem Tag, als sie vorbeigekommen war, irgendwie
unauffällig mitgehen lassen, obwohl mir schleierhaft war, wie sie davon gewusst
haben konnte.
    Sie war kaum im Haus gewesen. Und genauso schleierhaft war
mir, wie sie das hingekriegt hatte. Wie konnte sie eine fast einen Meter lange
Toblerone-Stange unauffällig mitgehen lassen? Bei ihrem Outfit? Außerdem war
ich ganz sicher, dass noch alle beide in meiner Gefriertruhe gelegen hatten,
als ich die eine später an dem Abend für Alice rausgeholt hatte. Was bedeutete
... ja, was? Ich kam nicht dahinter.
    Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Nein,
natürlich hatte sie die Toblerone nicht unter ihren Klamotten
rausgeschmuggelt. Das war gar nicht erforderlich gewesen. Sie hatte sie
geklaut, als ich nicht da war, als alle Türen abgeschlossen waren,
höchstwahrscheinlich heute Morgen. Wie? Ganz einfach. Sie hatte Audreys Schlüssel. Bei der ersten sich bietenden
Gelegenheit hatte sie den Bungalow durchsucht, genau wie ich ihren durchsucht
hatte, mit dem einzigen Unterschied, dass ich nichts mitgenommen hatte. Schon
komisch, so etwas zu tun, förmlich die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass ein
ungebetener Gast im Haus gewesen war. Aber vielleicht sollte ich es ja wissen.
Vielleicht hatte sie eine Spur gelegt, die ich übersehen hatte. Vielleicht war
sie schokoladensüchtig. Vielleicht war sie klausüchtig. Vielleicht ein bisschen
von allem.
    Ein leiser Gedanke schlich sich in meinen Kopf, wie die
besten es immer tun, geräuschlos, aber der hier schien den Raum zu füllen, wie
ein heimlicher Furz. Die Stange war noch nicht angebrochen. Ich hatte noch die
Verpackung von der, die Alice und ich verputzt hatten, versteckt in der Küche.
Ich brauchte also bloß diese Schokolade hier aus der Verpackung zu nehmen, sie
in die leere zu Hause zu schieben, und die Sache wäre geritzt. Carol würde ich
erzählen, Alice hätte aufgrund ihrer anhaltenden

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