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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
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Ich habe sie an ihrer Haustür
abgeholt, ich habe sie vor ihrer Haustür wieder abgesetzt. Ich hätte mit ihr
reingehen sollen, sie nach oben bringen, eine Tasse Tee kochen, aber das hab
ich nicht getan. Damals hab ich noch nicht an andere Menschen gedacht. Tja,
kurz danach fällt sie die Treppe runter, liegt die ganze Nacht da. Wieder meine
Schuld. Jedenfalls, was ich sagen wollte, als sie anschließend bei uns gewohnt
hat, ist uns besonders eine Nebenwirkung von ihrem Unfall aufgefallen, und
zwar ist sie plötzlich ein bisschen langfingrig geworden - Modeschmuck, Ringe
und so, immer wieder waren Sachen verschwunden, sogar Essen. Wir standen
morgens auf, und der Kühlschrank war leer geräumt, ein gebratenes Hähnchen
fanden wir unter ihrem Bett im Gästezimmer versteckt, im Schrank vom Gästebad
Audreys umfangreiche Joghurtsammlung. Wir haben natürlich kein Wort gesagt,
weil wir wussten, dass sie eigentlich nichts dafür konnte. Wie gesagt, sie war
gestern den ganzen Tag hier, hat laufend Tee gekocht, während ich mit dem Fisch
zugange war - der, den du sicher am Tor gesehen hast. Da hat sie sie
wahrscheinlich mitgehen lassen. Die sind jetzt bestimmt in ihrer Handtasche,
oder sie hat sie oben bei sich unter einem Sofapolster versteckt. Ich schau später
mal bei ihr vorbei, mal sehen, ob ich sie ihr wieder abluchsen kann. Falls
nicht, besorg ich neue. Übrigens, wie findest du ihn eigentlich, meinen
Fisch?«
    »Da ist kein Fisch, Dad. Nur so ein blödes Schild.«
    »Wie meinst du das, kein Fisch?«
    Ich schob sie beiseite und rannte nach draußen. Mein
erstes Kunstwerk war verschwunden. Auf dem Tisch hatte jemand £2,50
hinterlassen.
     
    Carol ging. Ich goss mir ein Glas Wein ein, aß von den
Chips. Meine Hand zitterte. Ein Fisch war schon schlimm genug, aber zwei Stangen
Toblerone? Das war mir schleierhaft. Wir hatten doch an dem Abend nicht beide
verputzt, oder? Ich weiß, vom guten alten Gras kriegst du schon mal Heißhunger
auf die gute alte Kakaobohne, aber selbst Audrey hätte Mühe gehabt, beide
Uschis zu vertilgen.
    Zwei Sachen verschwunden. Eine Sache aufgetaucht. Robins
Scrabble-Steinchen lag auf dem Tisch. Ich drehte es um, sodass ich das A sehen
konnte. Ich starrte es an. Es starrte mich an. Ich ging zum Holzofen, holte
Robins ganzen Stolz hervor, schüttete alle Buchstaben auf den Tisch. Das A
stammte aus demselben Set, eindeutig. Ich drehte alle Steinchen mit der
Buchstabenseite nach oben, suchte die As heraus, legte sie separat
nebeneinander hin. Vier. Meine Fresse, Leute gibt's.
    Ich zählte alle anderen Buchstaben durch, um festzustellen,
ob er noch mehr von den wichtigen hatte verschwinden lassen, aber nein, die
zwei Blankosteine, die sieben S, alles so, wie es sein sollte. Es fehlte
lediglich dieses eine A. Ich betrachtete es, wie es da abseits von den anderen
lag, ganz allein. Ich nahm es, tat es zu den übrigen As, mischte sie gut durch,
damit es mal richtig Kontakt zu ihnen bekam, so, wie es all die Jahre hätte
sein sollen. Ich hätte es am liebsten dort gelassen, aber ich wusste, dass das
nicht ging. Falls Carol es nicht hierließ, wenn sie wieder nach Australien
abhaute, würde es immer allein sein, und im Set wäre immer ein Buchstabe zu
wenig. Hatte Robin das schon immer gemacht, oder hatte er das A bloß für die
Partie aussortiert, die er mit mir oben auf dem Berg spielen wollte? Ich würde
es nie erfahren, aber dank dem A, wie es da so auf dem Tisch lag, haftete Robin
plötzlich ein Geheimnis an, ein Geheimnis, durch das er lebendig blieb, und das
gefiel mir nicht. Ich wollte nicht, dass es sich zu einem ständigen Juckreiz
auswuchs, der einen in den Wahnsinn trieb. Je eher Carol die Sache vergaß,
desto besser. Aus den Augen, aus dem Sinn, das war der erste Schritt.
    Ich mischte alle Buchstaben wieder zusammen und schaufelte
sie zurück ins Säckchen. Dann packte ich alles weg, ging mit dem einsamen
Steinchen in die Küche, nahm die Lady-Diana-Hochzeit-Gedenktasse vom Regal und
warf das A zu dem Schlüssel von Kims Bungalow. Ich schaute zum Fenster hinaus.
Noch immer keine Spur von Michaela. Ich nahm den Schlüssel. Er war wie ein
Magnet, der mich zu der Tür lenkte.
    Ich trat ein. Derselbe Geruch, dieselbe Leere, derselbe
rosa Fetzen, der am Heimtrainer hing. Als wäre sie zwischendurch gar nicht
hier gewesen. Diesmal fing ich mit den Schlafzimmern an. Im Gästezimmer war ein
weiterer Koffer geöffnet worden, der Deckel aufgeklappt, Sprays und Lotionen
lose innen im Netzfach. Im

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