Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
Vom Netzwerk:
gesundheitlichen Probleme
eine der beiden Stangen verdrückt, ehe ich es verhindern konnte, aber die
andere hätte ich unversehrt zurückgeholt. Carol wäre zufrieden, wenn nicht sogar
glücklich, und ich wäre aus dem Schneider. Michaela hätte zwar keine Schokolade
mehr in der Kühltruhe, aber sie konnte ja wohl kaum rüberkommen und sich
beschweren, oder? Noch wichtiger war, dass die leere Packung sie verunsichern
würde, und die Verunsicherung von Michaela Rump stand ganz oben auf meiner
Tagesordnung, kam gleich nach Carols Seelenfrieden und der Bildhauerarbeit an
meinen Fischen. Michaela sollte sich den Kopf darüber zerbrechen, ob ihre
Erinnerung ihr einen Streich spielte und sie mir eine leere Toblerone-Schachtel
geklaut hatte.
    Ich bückte mich hinein, holte die Packung heraus und
öffnete sie an einem Ende, ganz vorsichtig, um nichts einzureißen. Das
Monsterding rutschte heraus, das Licht fiel auf den Schriftzug, und es sah aus,
als würden die Buchstaben blinken. Ich legte die leere Verpackung wieder in
die Kühltruhe und machte den Deckel zu. Die Sache war so gut wie erledigt.
    In dem Moment klingelte das Handy, das Michaela mir
gegeben hatte.
    »Mr Greenwood?«
    »Nein, Humphrey Bogart. Lust auf
eine Paddeltour?«
    »Sehr lustig. Wo bist du?«
    »Das wüsstest du wohl gern.«
    »Nicht unbedingt, aber du würdest vielleicht gern wissen,
wo ich bin.«
    Die Verbindung wurde unterbrochen. Durchs Fenster konnte
ich sehen, wie sich unten am Pfad zum Kliff hoch ein gelber Fleck in Bewegung
setzte. Ich war nervös - und scharf wie Nachbars Lumpi. Ich stürzte nach
draußen und flitzte über das Feld, sprang über den Zaun auf der anderen Seite
und machte mich an den Aufstieg, kämpfte mich durch das wuchernde Gestrüpp,
zwang mich an den Rand der Erschöpfung.
    Ich war schon halb den Hügel hinauf, als mir einfiel, dass
ich Michaelas Hintertür nicht abgeschlossen und sogar den Schlüssel stecken
gelassen hatte. Der Gedanke muss mich aus dem Gleichgewicht gebracht haben -
und dann ging mir zu allem Überfluss auf, dass ich immer noch die einen Meter
lange tiefgefrorene Toblerone-Stange in der Hand hielt. Ich rutschte aus -
nicht bloß ein kleiner Ausrutscher, sondern so einer, bei dem alles wie bei
einem Autounfall schnell und langsam zugleich abläuft, bei dem die Welt sich
auf den Kopf stellt und Gras und Himmel und alles, was dazwischenliegt,
hochkommen und dir einen Kuss geben. Ich purzelte kopfüber gut und gern zwanzig
Meter tief, bis ich von einem dieser dreckigen Viehtröge, die ich mir für meine
Fische vorgemerkt hatte, gebremst wurde. Ich rappelte mich hoch. Ich war im
Großen und Ganzen unversehrt, im Gegensatz zu Carols Toblerone. Bei dem Sturz
war die Stange zerbrochen, und ich sah nur noch ein gut zwanzig Zentimeter
langes Endstück in dem Silberpapier zu meinen Füßen liegen. Von dem restlichen
Teil war nichts zu sehen, und mir blieb auch keine Zeit zum Suchen. Ich stopfte
den kümmerlichen Rest in die Tasche und hastete zurück zum Bungalow, knallte
die Tür zu, drehte den Schlüssel um und zog ihn ab. Michaela musste jetzt einen
ganz schönen Vorsprung haben, und ich wollte nicht, dass sie vor mir oben war.
Es brachte mich fast um, aber dieses Rennen wollte ich gewinnen. Ich rannte
wieder über das Feld und prügelte mich dann den Pfad hinauf, mit rasendem
Herzen und trockenem Mund, die Hände auf die Oberschenkel gestützt, um
irgendwie voranzukommen. Ich litt, und wie. Und so quälen sich diese
französischen Radler, für nichts weiter als ein lausiges gelbes Trikot.
    Wieso sie nicht vor mir da war, keine Ahnung, aber sie war
nirgends zu sehen. Nur ich war da, keuchend und völlig fertig, und das Gras,
weich und grün wie eine Startbahn, die klar ist zum Abheben, mit nichts am
Ende, rein gar nichts. Und davon jede Menge.
    Ich lehnte mich gegen die Erhöhung der Beule, und meine
Lunge schnappte nach Luft wie ein gestrandeter Fisch auf einer Sandbank. Ich
hatte ihr gesagt, ich würde oben auf dem Grasbüschel warten, aber scheiß drauf.
Sie sollte mich nicht sehen, genau wie die große Unbekannte mich damals nicht
gesehen hatte, als wäre ich der Einzige, der wusste, was passieren würde.
    Ich wartete. Und wartete. Und dann wartete ich noch
länger. Keine Spur von ihr. Der Nachmittag war schon weit fortgeschritten, aber
das hatte die Sonne offenbar noch nicht mitbekommen. Sie brannte vom Himmel.
Mein Herz klopfte langsamer, mein Körper regulierte sich wieder. Ich lechzte
nach irgendwas, einem

Weitere Kostenlose Bücher