Binding, Tim
können. Außerdem, Frauen
wie Tina polstern sich gern aus, erst recht, wenn sie Ambitionen haben. Könnte
mir vorstellen, dass sie so was im Interesse des Unternehmens macht.«
»Möglich«, stimmte ich zu. »Als ich sie das erste Mal in
ihrer Uniform gesehen hab, kam mir ihre Körperhaltung nicht ganz natürlich vor.
Weißt du noch? Ich meine, ich hätte das erwähnt. Also los, versuchen wir unser
Glück. Was haben wir schon zu verlieren?«
Sie schob den Brief hinein und drückte die Lasche zu. »So.
Wenn du das nächste Mal in Wareham bist, bring ihn zur Post.«
»Ich hab eine bessere Idee. Ich hab später noch eine Tour
nach Dorchester. Ich werf ihn in einen Briefkasten in irgendeiner
Seitenstraße. Ich fahre Mrs Blackstock zum...« Meine Stimme verklang.
»Ja?«
»Zum Zahnarzt.« Ich klopfte auf meine Brusttasche. Er war
noch da. »Also. Ich geh jetzt Brötchen holen. Kaffee ist in der Kanne.«
Ich trat nach draußen, um zum Bäcker zu gehen. Zum Glück
hatte ich das Päckchen nicht bei mir. Ian Newdicks Minivan kam mit
eingeschalteten Scheinwerfern die Straße runtergeschwankt. Ich kann Leute nicht
ab, die am helllichten Tag mit Licht fahren. Das haben wir den Schweden zu
verdanken, mit ihren beknackten Volvos, an denen ständig das Licht brennt. Mag
ja sein, dass die das halbe Jahr über im Dunkeln rumtappen müssen, aber, stellt
euch vor, wir hier können sehen, wo's langgeht. Schreibt euch das hinter eure
skandinavischen Ohren.
Er bog in die Einfahrt und trat mit solcher Wucht auf die
Bremse, dass der geharkte Kies über Audreys Blumenbeet spritzte. Das würde ihr
gar nicht gefallen. Ich hörte, wie die Handbremse angezogen wurde, ehe er die
Tür aufstieß und aus dem Wagen sprang. Die Uniform sah nicht mehr so fesch aus.
Die Hose war um die Knie herum ein bisschen zu glänzend, und die Taschen hingen
allmählich durch. Ian war groß, groß, wie eine Bohnenstange groß ist, dünn und
knorrig. Er hatte auch große Ohren. Er wedelte mit seiner kleinen Schirmmütze
in der Luft herum, als wollte er eine Wespe verscheuchen.
»Al. Ich muss mit dir reden.«
Schon wieder einer. Ich versuche doch nichts anderes, als
in Ruhe zu leben, aber überall, wo ich hinkomme, stoße ich auf Konfrontation.
»In letzter Zeit will jeder mit mir reden, Ian. Weshalb
du?«
»Das wirst du gleich erfahren. Ich hatte eine Beschwerde.«
»Treibt Tina dich in den Ruin? Sag nicht, ich hätte dich
nicht gewarnt.«
»Spar dir die Witze. Major Fortingall. Du hast ihn gestern
vom Bahnhof abgeholt.«
»Um dir aus der Klemme zu helfen, wenn ich mich recht
entsinne, nicht, dass mir dafür gedankt worden wäre.«
»Er sagt, du hast seine Sporttasche gestohlen.«
»Ich hab was?«
»Er sagt, er hat seine Tasche in deinem Wagen vergessen
und du wolltest sie ihm aus irgendeinem Grund nicht zurückgeben. Also hat er
angerufen, um sich zu beschweren. Halbe Stunde am Telefon. Er sagt, du wärst
obendrein frech geworden. Er droht, zur Polizei zu gehen.«
»Soll er ruhig. Mir doch egal. Glaubst du, die
interessieren sich für eine beschissene Tasche?«
»Na, ich tu's jedenfalls. Ich muss an mein Geschäft denken,
auch wenn du das nicht nötig hast. Ich lass nicht zu, dass du meinen guten Ruf
schädigst.«
Er stand da, atmete durch die Nase, blickte streitlustig.
Ich dachte an das Päckchen, das auf dem Küchentisch lag. In den Tagen danach?
Ich konnte sein Misstrauen doch jetzt schon schüren, ehe es überhaupt durch
seinen Briefkasten gefallen war.
»Ich hab dir bloß einen Gefallen getan, Ian, mehr nicht. Wenn
ich mir zum Dank dafür so was anhören muss, dann bin ich das nächste Mal, wenn
du angekrochen kommst, vielleicht nicht mehr so gefällig. Hattet wohl zu viel
zu tun, ihr beide?«
»Natürlich hatten wir zu viel zu tun. Ich würde einen
Stammkunden doch nicht so ohne weiteres hängenlassen.«
»Ich dachte nur, ich hätte Tinas Hitachi an dem Morgen an
der Straße gesehen, rückwärts eingeparkt auf dem Rastplatz. Vielleicht war sie
es auch nicht. Aber der Wagen sah aus wie ihrer. Ich hab im Vorbeifahren
gehupt, aber sie hatte den Kopf unten, als würde sie was im Handschuhfach
suchen, deswegen bin ich nicht sicher.«
Er erstarrte zur Salzsäule. Der Rastplatz ist beliebt für
Schäferstündchen im Freien, obwohl für gewöhnlich erst nach Sonnenuntergang,
wenn die Picknickmacher verschwunden sind. Ian fegte sich über die Schultern
seines Anzugs, als hätte er frische Schuppen entdeckt. Das muss ich Audrey
lassen. Sie hat
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