Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
beliebt bei Naturschützern ist in diesem Zusammenhang das Wörtchen „noch“, das immer dann verwendet wird, wenn nur „noch“ wenige Feldhamster in einem Acker leben oder nur „noch“ wenige Tiger, Bären und Co. in einem beliebigen Winkel der Erde. Tiger, Bär, Löwe und Co. sind es auch, die dabei im Fokus stehen: große, meist flauschige Tiere mit großen Augen (Ausnahme Elefanten, Wale und Delfine), gut sichtbar – und selten. Das eigentliche Aussterben findet aber in viel kleinerem Maßstab statt: bei Amphibien, Reptilien und Vögeln – und auch bei Insekten und Pflanzen, die für die große Öffentlichkeit kaum mehr sichtbar sind. Und häufig sind diese ausgestorbenen Arten auch der Wissenschaft nicht oder kaum mehr bekannt; man weiß gerade einmal, dass es sie irgendwo gegeben haben muss, wie sie aber lebten, sich ernährten und vermehrten, weiß man nicht. Meistens ist es so, dass ihr ehemaliger Lebensraum durch Zerstörung verschwunden ist – und damit die Arten in ihm.
Aus den bekannteren Geschichten der Ausrottung von Arten kann man viel lernen – über die Eigenarten unserer Biologischen Vielfalt, aber auch über die vielen Zwangsbeziehungen, die sich zwischen dem Menschen und manchmal auch einzelnen Arten entwickeln. Ähnliches gilt für die Dienstleistungen der Natur, sie werden lange genutzt, aber erst richtig wertgeschätzt, wenn sie plötzlich verschwunden sind.
Aber kommen wir zunächst einmal zur Taube.
Es war die Taube, die ausstarb, und nicht die Lerche
Wer hat sich nicht schon einmal über Tauben geärgert. In manchen Städten waren oder sind sie die reinste Plage. Doch heutzutage hat man die Populationen durch verschiedene Maßnahmen relativ gut im Griff, etwa durch Verhütungsmittel in ausgestreutem Futter. Doch das Verhältnis zwischen Taube und Mensch kann auch ganz anders aussehen: Schon lange befinden sich Tauben in menschlicher Obhut, in der Vergangenheit dienten sie aufgrund ihres exzellenten Orientierungssinnes als Brieftauben. So gelangte die Nachricht des Sieges über Napoleon bei der Schlacht von Waterloo im Juni 1815 zunächst per Brieftaube nach Großbritannien. Und bis heute lebt diese Tradition in der Taubenzucht und entsprechenden Wettbewerben fort. Unsere Haustaube und die daraus verwilderten Stadttauben stammen von der im südeuropäischen und arabischen Raum heimischen Felsentaube (Columba livia) ab. Sie sind mittlerweile auf der ganzen Welt eingeführt. Damit ist diese Taubenart dank des Menschen eine der erfolgreichsten Vogelarten auf der Welt – sie hat es sich mit uns eingerichtet und bevölkert unsere Städte. Aber es soll hier nicht um das Mehr-Werden, sondern um das Weniger-Werden gehen.
Denn eigentlich war die Felsentaube bei Weitem nicht die häufigste Taubenart auf der Welt. Sie konnte sich nur hervorragenddem Menschen anpassen. Anders sah das bei einem Vogel aus, der bis ins 19. Jahrhundert hinein zu den häufigsten der Welt zählte: die Wandertaube Nordamerikas (Ectopistes migratorius) . Man schätzte ihren damaligen Bestand auf drei bis fünf Milliarden. Und bis heute ist nicht ganz klar, warum ein so zahlreich vorhandenes Tier innerhalb von 120 Jahren komplett aussterben konnte – die letzte Wandertaube starb am 1. September 1914 im Zoo von Cincinnati. Gegen Mittag fiel sie von ihrer Sitzstange, und damit war die Wandertaube nicht mehr. Sie ist damit eine der wenigen Arten, deren Aussterben man auf Stunden genau festlegen kann.
Aber auch wenn die Gründe für das Aussterben der Wandertaube nicht ganz klar sind, zeigen sich doch grundlegende Elemente des Verhältnisses zwischen Mensch und Natur als wichtige Faktoren: Zunächst einmal war die Taube ein wichtiges Nahrungsmittel in den wachsenden Städten der Vereinigten Staaten des 19. Jahrhunderts. Die Verfügbarkeit war groß: Millionen von Tieren zogen durch den Ostteil des Kontinents, Beschreibungen von damals sprechen von Schwärmen, die den Himmel verdunkelten und „die Luft mit Tauben erfüllten“, oft über viele Stunden hinweg. In Brehms Tierleben findet sich etwa das folgende Zitat des Naturforschers Alexander Wilson: „Auf meinem Wege nach Frankfort durchstrich ich die Wälder, über denen ich in den Morgenstunden viele Tauben hatte nach Osten fliegen sehen. Gegen ein Uhr mittags begannen sie zurückzukehren und zwar in solch ungeheuren Scharen, daß ich mich nicht erinnern konnte, zuvor soviele auf einmal gesehen zu haben. Eine Lichtung in der Nähe der Bersoebucht gewährte mir
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