Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
Ertrag und Qualität der Früchte durch die Bestäubung deutlich gesteigert werden. Eine weltweite Studie hat ergeben, dass der Wert der durch Bestäubung erzeugten Agrarprodukte bei 153 Milliarden Euro liegt. Neuere Berechnungen von Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung gehen sogar von Werten bis zu 270 Milliarden Euro aus. Entsprechend ist die Bestäubung von stark hiervon abhängigen Arten, zum Beispiel von Mandeln, Äpfeln, Blaubeeren und anderen Früchten, in vielen Regionen der Welt bereits ein wichtiges Geschäft für die Imker – weit wichtiger als der Honigertrag. In den USA wird das Gewerbe mit der Biene im großen Maßstab betrieben. Dort fahren Sattelschlepper mit Hunderten von Bienenvölkern quer über den Kontinent, um mal hier die Mandeln, mal dort die Kürbisse zu bestäuben – ein großes Geschäft. Allerdings kommt dieses Geschäft nicht allen Imkern zugute. In Europa, wo Imkerei zwar auch professionell, aber doch eher regional betrieben wird, ist die Zahl der Imker, vor allem von Eigenversorgern und Kleinbetrieben, in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen. So sank die Zahl der Imker von 1965 bis 2005 in Mitteleuropa um ca. 58 Prozent, allein seit 1985 um mehr als 36 Prozent. Ebenso ging die Zahl der Kolonien um etwa 26 Prozent zurück. Zugleich ist die Honigproduktion weiter gestiegen, was auf ein intensiveres Management der bestehenden Bienenvölker hindeutet.
Parallel zum Rückgang der Honigbienen gibt es auch immer weniger wilde Bestäuber wie Wildbienen, Hummeln und Schwebfliegen. Doch der Ansatz, auf die Honigbiene als Hauptanbieter der Dienstleistung Bestäubung zu setzen, ist sehr riskant. Wie jeder Aktienhändler weiß, sollte man seine Investments auf mehrere Anlagearten verteilen, um das Risiko zu streuen. Die Ökologie spricht hier von der Versicherungshypothese: Mehrere Arten in einem Ökosystem, die eine bestimmte Funktion erfüllen, sind sicherer für den Fall, dass einmal eine ausfällt. Fällt die Honigbiene also aus, haben Agrarbetriebe, die auf Bestäubung angewiesen sind, ein Problem. Und genau das ist in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren zunehmend der Fall, denn der weltweite Austausch von Honigbienen führt eine wenig willkommene Folge nach sich: Die Probleme reisen mit. Von der afrikanischen Biene in Amerika war schon die Rede, ein zweites weltweites Problem wurde in den 1970er-Jahren von asiatischen Honigbienen eingeschleppt: die Varroa-Milbe. Dieser Parasit siedelt sich auf den Bienen und ihrer Brut an und saugt an ihnen. Ferner gilt die Milbe als Überträger von Viren. Während die asiatischen Bienen gelernt haben, die Milbe zu erkennen und zu bekämpfen, kann die europäische Biene das nicht, sodass es häufig zur massiven Ausbreitung der Milben und dem Absterben ganzer Kolonien kommt. Seitdem sucht man nach Bekämpfungsmethoden, die alle mehr oder weniger gut funktionieren, aber im Falle des Einsatzes chemischer Milbenbekämpfungsmittel wieder andere Nachteile nach sich ziehen.
In den letzten Jahren sind dann noch viele weitere Faktoren hinzugekommen, sodass es zunächst in den USA und dann auch in Europa und anderen Erdteilen zu massiven Verlusten an Bienenvölkern kam. Die genauen Gründe sind noch unklar: Womöglich spielen die Varroa-Milbe und die Übertragung von Krankheiten durch sie eine Rolle, ebenso der weiterhin hohe Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, vor allem der Neonekotinoide,einer neuen Sorte von Mitteln, deren genauen Wirkungen bisher noch nicht geklärt sind. Man vermutet aber, dass sie schon in geringen Dosen zwar nicht tödlich wirken, aber das Orientierungsvermögen der Bienen beeinträchtigen.
In den USA macht das Phänomen seit einigen Jahren als „Völkerkollaps“ (CCD, englisch für Colony Collapse Disorder) Schlagzeilen. Dort versucht man mit intensiven Forschungsarbeiten herauszufinden, was der Grund für das massive Schwinden der Völker ist. Mehr und mehr zeichnet sich ab, dass es nicht einen alleinigen Grund für die Verluste gibt, sondern dass die intensive Nutzung der Völker mit weiten Umzügen von einem Arbeitsort zum anderen über viele Monate hinweg, die Varroa-Milbe und die von ihr übertragenen Krankheiten, eine neue Viruserkrankung und der Einsatz von Pestiziden gemeinsam für die Schäden verantwortlich sind. Im Jahr 2012 wurde ferner ein neuer Parasit entdeckt, eine Fliege mit dem Namen Apocephalus borealis. Auch der Klimawandel könnte ein Faktor sein: Wenn in großen Regionen
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