Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
Ergebnisse des Gipfels wurden erst gegen Ende der Nachrichten präsentiert, weit hinter den Diskussionen zu Griechenland und der Euro-Krise – und der Fußball-Europameisterschaft.
Dabei stellt unser duales Wesen auch eine faszinierende Herausforderung für uns dar – als Individuen und als Gesellschaft. Wie kann es uns gelingen, den biologischen, wie, den geistigen Teil mit Glück und Wohlergehen zu erfüllen – und das für viele Milliarden Menschen? Die genannten Faktoren zeigen: Das Zusammenspiel von ökologischen und ökonomischen Fragen ist komplex. Einzelne Aktivitäten scheinen häufig überhaupt nicht ins Gewicht zu fallen, doch in der Summe werden sie zur Belastung für die Natur. Und diese Belastung zeigt sich meist an ganz anderer Stelle, etwa bei verfrachteten Giftstoffen, oder sie wird globalisiert, z. B. beim Ausstoß von Treibhausgasen, wo andere Regionen der Erde stärker von den Folgen betroffen sind als die eigentlichen Verursacher. Während wir beim Thema Klimawandel das Gefühl haben, mitreden zu können – immerhin erleben wir das Wetter tagtäglich (auch wenn dies nichts über langfristige Klimatrends aussagt) –, können wir den Verlust an Arten und Ökosystemdienstleistungen nur schwer wahrnehmen. Die dauerhafte Verschmutzung unserer Flüsse durch ein Übermaß an Nährstoffen bleibt uns meist verborgen. Noch in den 1960er-Jahren war das anders (und auch wirklich abstoßend): Tote Fisch schwammen auf dem Wasser, und allein der Geruch eines Flusses zeigte, dass er biologisch tot sein musste. Heute sind die Effekte bei uns in Mitteleuropa versteckter und zeigen sich vielleicht einmal in toten Zonen im Wattenmeer oder in der Ostsee. Oder eben in verschmutzten Flüssen in anderen Teilen der Welt.
Wenn Sie in Ihrem Garten sitzen und vor Ihnen fällt ein Vogel tot vom Baum, können Sie nicht sagen, es sei vielleicht der Letzte seiner Art oder zumindest der Letzte seiner Art in Ihrer Region gewesen. Außerdem gibt es ja noch viele andere Vögel, und die Natur sieht weiterhin heil aus. Zumeist erkennt man Veränderungen in der Natur nur langfristig. Viele ältere im Naturschutz aktive Menschen erzählen zum Beispiel immer wieder von den blütenreichen Blumenwiesen und teilweise auch Äckern der1950er- bis 1970er-Jahre, die durch die Intensivierung der Landwirtschaft verloren gingen. Ältere Jäger können noch von reichlich Hasen, Fasanen oder Rebhühnern auf den Feldern berichten, die man heute kaum mehr findet. Aber für die Wahrnehmung von solchen schleichenden Prozessen sind die Menschen kaum geschaffen, wir vergessen schnell, dass es auf einer Wiese früher mehr Kiebitze gab, wenn wir nicht tagtäglich damit zu tun haben. Und die Natur als Ganzes scheint intakt zu bleiben.
Und wir vergessen auch schnell die wirtschaftlichen Folgen, die solche Veränderungen mit sich führen können. Untersuchungen zur Elbeflut 2002, durchgeführt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, zeigen etwa, dass direkt nach der Flut die Bereitschaft groß war, Häuser nicht mehr auf potenziellen Überflutungsflächen zu bauen und dem Fluss wieder mehr Raum zu geben. Eine Einstellung, die wenige Jahre später weitgehend verschwunden war. Nun nutzt man die Flächen wieder so, als gäbe es keine Hochwassergefahr mehr. Die wirtschaftliche Bedeutung von Naturflächen zur Vermeidung von immensen Schäden durch zukünftige, scheinbar zufällig stattfindende Extremereignisse wird gegenüber den kurzfristigen, aber regelmäßigen Interessen einer produktiven Ackerfläche hinter einem Deich oder einem Haus am Fluss vergessen.
Diese Wahrnehmung von Mehr und Weniger in der Natur liegt irgendwo zwischen unserem geistigen und biologischen Bezug zu dem, was uns erhält, der Biodiversität. Um dieses Mehr und Weniger als Bezugspunkt zur Reduktion der Komplexität, in der wir uns bewegen, soll es in den nächsten beiden Kapiteln gehen. Und wir beginnen mit dem vielleicht einzigen Vogel, von dem man in der Tat sehr genau weiß, wann der Letzte seiner Art tot vom Baum fiel.
„Wir sind bis jetzt noch nicht selbst
eine bedrohte Art. Aber das liegt nicht daran,
dass wir es nicht versucht hätten.“
DOUGLAS ADAMS,
BRITISCHER SCIENCE-FICTION-AUTOR
3. Weniger-Werden – von Abermillionen Tauben, Fischen und jeder Menge Wald
Wenn wir vom Weniger-Werden in der Natur sprechen, denken wir zunächst an die vielen Arten, von denen wir immer wieder hören, dass ihre Bestände abnehmen oder ihnen gar das Aussterben droht. Äußerst
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