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Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource

Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource

Titel: Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Neßhöver
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Marmelade und Marzipanfüllung. Auch wenn das wahrscheinlich kein gleichwertiger Ersatz für den Verzehr der Vögel war, zeigt es doch eine typische Eigenschaft des Verhältnisses zwischen Mensch und Natur: Viele übernutzte Ressourcen werden durch andere Produkte, die eine geringere Wirkung auf die Natur haben, ersetzt, da die ursprüngliche Ressource verlorengegangen ist. Häufig wird dabei die Jagd auf ein Tier durch die Jagd auf ein anderes ersetzt, aber der Einfall des Leipziger Bäckers war sicher nachhaltiger.
    Die Feldlerche ist in der ganzen nördlichen Hemisphäre verbreitet, sie gehört auch in Europa zu einer der häufigsten Brutvogelarten. 2008 wurde der Bestand in Deutschland auf 2,1 bis 3,2 Millionen Brutpaare geschätzt. War es früher die direkte Verfolgung wie in Leipzig, so stellt heute der schwindende Lebensraum das größte Problem für die Lerchen dar. Die Lerche nistet in offenem Gelände auf dem Boden, zumeist in Agrarflächen. Durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung werden solche Flächen aber immer weniger, zudem zerstört die Bewirtschaftung zahlreiche Nester. So haben in den letzten zwanzig Jahren die Bestände der Lerche etwa um zwanzig Prozent abgenommen. Damit ist die Lerche zwar der Ausrottung aufgrund einer direkten Verfolgung durch den Menschen entgangen, die Belastungen, verursacht durch Lebensraumverlust und Nahrungsarmut aufgrund fehlender Lebensräume für Insekten und des Einsatzes von Insektiziden, stellen ein wachsendes Problem dar. Arten wie die Feldlerche und viele andere Vogelarten sind damit sehr gute Anzeiger, sogenannte Indikatoren, für diesen kontinuierlichen Wandel in unserer Landschaft und den Verlust an Lebensfacetten in ihr. Was einmal komplett weg ist, ist weg, wie die Wandertaube, die spektakulär schnell von der Bildfläche verschwand. Bei schleichenden Prozessen aber ist das Bild vielschichtiger – so wie bei einem anderen Indikator dieses Wandels, der Honigbiene.
Niedergang von Hütern und Gehüteten: die globalisierte Honigbiene
    Nur wenige Organismen haben den Menschen über Jahrtausende hinweg so fasziniert wie die Bienen. 15 000 Jahre alte Felszeichnungen zeigen bereits Honigbienen, und es liegt nahe, dass schon damals die Plünderung eines Honigstocks zum Repertoire der Jäger- und Sammlerkultur gehörte. Honig war pure Energie. Bereits für ca. 2400 v. Chr. ist die Domestizierung der Honigbiene in Ägypten verbrieft, in China lässt sich das für ca. 1000 v. Chr. nachweisen. Die Honigbiene wurde aber nicht nur wegen ihrer wichtigen natürlichen Ressourcen Honig und Wachs verehrt, sondern auch aufgrund ihrer komplexen Sozialstruktur. Bis heute fragen sich Forscherinnen und Forscher, wie der Verband von Tausenden von Bienen, geführt von einer einzigen Königin, mit verschiedenen Gruppen mit verschiedenen Aufgaben im Stock, genau funktioniert. Vieles weiß man, einiges ist noch immer ungeklärt.
    Lange Zeit, bis ins 19. Jahrhundert hinein, war Honig die Hauptquelle von Zucker und wurde von europäischen Siedlern in alle Weltgegenden exportiert, sodass die europäische Honigbiene bald schon auf vielen Kontinenten angesiedelt war. Auch in China, wo bereits mit der dort einheimischen Bienenart gearbeitet wurde, gewann die europäische Honigbiene im Laufe des 20. Jahrhunderts die Oberhand – sie war viel produktiver und machte weniger Arbeit. Parallel war ihre Dominanz an anderer Stelle auch wieder gefährdet. Eine afrikanische Hybrid-Biene gelangte in den 1950er-Jahren nach Brasilien; man hoffte, sie werde sich im tropischen Klima besser behaupten. Diese Bienenart ist deutlich aggressiver als die europäische Verwandtschaft und verdrängt sie zunehmend auf dem amerikanischen Kontinent. Inzwischen hat sie sogar schon Teile der USA erobert. Dabei kommt es auch immer wieder zu Einkreuzungen von wilden, „afrikanisierten“ Bienenmit den europäischen Zuchtbienen. Und auch wenn wir heute den Honig nicht mehr zum Süßen von Speisen und das Wachs nicht mehr für Kerzen und andere Produkte zwingend benötigen, sind die Honigbienen weiterhin allgegenwärtig. Mit ihrer Bestäubungsleistung stellen sie den unmittelbarsten Bezug her zwischen einer Artengruppe bzw. der einzelnen Art Honigbiene und einem ganz zentralen Service für den Menschen – der Bestäubung zahlreicher Feldfrüchte. Allein in Europa wird geschätzt, dass 150 Feldfrüchte (84 Prozent aller Hauptanbauarten) von Bestäubern abhängig sind – entweder vollständig oder dahingehend, dass

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