Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
Island sowie die Nordsee – als überfischt. Im Mittelmeer sind es sogar 82 Prozent. Weltweit gilt ein Drittel aller Bestände als zusammengebrochen, was heißt, dass heute gerade einmal zehn Prozent dessen gefischt werden kann, was in guten Zeiten möglich war.
Stattdessen kauft sich die EU die Rechte für ihre Fangflotten: So hat sich die EU in ca. zwanzig afrikanischen Staaten den Zugang zu den Fischgründen für über 600 Jahre vertraglich gesichert, also für ca. dreißig Jahre pro Land. Darunter leiden häufig die Fischer vor Ort, denen immer weniger ins Netz geht. Womit auch die Versorgung der örtlichen, küstennahen Bevölkerung in Entwicklungsländern mit preisgünstigem Protein aus der Fischerei von 1985 bis Ende der 1990er-Jahre von 9,4 auf 9,2 Kilogramm pro Person und Jahr zurückgegangen ist. Die Preise stiegen stärker als jene für die allgemeine Lebenshaltung. In Europa wächst dagegen weiterhin der Fischkonsum – in Deutschland von ca. elf Kilogramm Fisch pro Person und Jahr in den 1990er-Jahren auf 15,5 Kilogramm im Jahr 2010.
Dieses Ausweichen auf neue oder zumindest weniger überfischte Bestände zeigt viele Facetten. Zum einen hat die technische Entwicklung dazu geführt, dass immer effizienter gefischt werden kann. Boote und Netze wurden stetig größer. So ist die Anzahl der Fischereischiffe auf den Weltmeeren mit ca. einer Million seit Anfang der 1990er-Jahre in etwa konstant geblieben, ihre Kapazität zu fischen hat aber um über siebzig Prozent zugenommen. Die Ausbeute, bezogen auf diese Kapazität, sinkt allerdings stetig. Man könnte auch sagen, man schießt mit immer größeren Kanonen auf immer weniger Spatzen – oder eben Fische.
Somit gibt es fast keinen Flecken auf den Weltmeeren mehr, der nicht intensiv befischt wird, auch Arktis und Antarktis sind zunehmend betroffen – ebenso wie die dritte Dimension, die Tiefsee. So hat die durchschnittliche Tiefe der Fänge von ca. 170 Metern in den 1970er-Jahren auf über 250 Meter heutzutage zugelegt. Neue Fischarten auf unseren Tellern wie der Granatbarsch oder schon länger der Rotbarsch sind nicht nur ein Indikator für einen gewissen Luxus, sondern auch dafür, dass diese Tiefseearten neu für den Markt „entdeckt“ wurden, weil andere Bestände mehr und mehr erschöpft sind. Tiefseefischarten wieGranat- und Rotbarsch aber regenerieren sich viel langsamer, oft sind die Fische, die bei uns auf dem Teller landen, zwanzig Jahre alt und älter. Der Granatbarsch aber braucht etwa dreißig Jahre, um geschlechtsreif zu werden, und kann bis zu 120 Jahre alt werden. Sind solche Bestände einmal befischt, erholen sie sich selbst nach Jahrzehnten nicht. Besonders schädlich sind aber vor allem die Fangmethoden: Grundschleppnetze zerstören großflächig Ökosysteme, u. a. Tiefseekorallen, die Jahrzehnte bis Jahrhunderte brauchen, um sich zu regenerieren. Dabei macht diese Tiefseefischerei, trotz allen Drucks, gerade einmal ein Prozent des weltweiten Fischfangs aus, sie richtet aber immensen Schaden an. Möglich ist diese enorm aufwändige Fischerei nur, weil Subventionen dies garantieren. Bis zu 25 Prozent der Einnahmen in der Fischerei stammen aus Staatsmitteln.
So wird die Fischerei insgesamt mit ca. 15 bis 35 Milliarden US-Dollar pro Jahr subventioniert. Exakte Zahlen sind schwierig zu ermitteln, da nicht immer leicht zu sagen ist, ob etwa ein Hafenausbau eine direkte Subvention für die Fischerei darstellt oder auch dem anderen Schiffsverkehr zugutekommt. Doch wie dem auch sei, bei einem geschätzten Umsatz von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr durch die weltweite Fischerei machen die Subventionen einen gewaltigen Anteil aus, den man eigentlich von den Gewinnen abziehen müsste. Ferner hat die Weltbank berechnet, dass die Überfischung auch ökonomisch keinerlei Sinn ergibt: Wären die Fischbestände intakt und man würde sie nachhaltig befischen, statt in andere Meeresbereiche (und in die Tiefe) auszuweichen, könnte man den Umsatz um ca. fünfzig Milliarden US-Dollar, also um fünfzig Prozent, steigern – und damit deutlich mehr erwirtschaften, als an Subventionen ausgegeben wird.
Alles in allem ist das Bild weiterhin düster: Würde man den Trend der letzten Jahrzehnte in die Zukunft hinein fortschreiben, könnten in dreißig bis vierzig Jahren alle Fischbestände zusammengebrochen sein, wie 2006 ein Team um den MeeresforscherBoris Worm ermittelte. Allerdings gibt es auch zahlreiche Ansatzpunkte, diesem Trend entgegenzuwirken.
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