Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
und äußerst effektive Routen für die Ausbreitung von invasiven Arten, um von einem Flusssystem ins andere zu gelangen, was natürlicherweise gar nicht möglich wäre. So hat etwa auch der Rhein-Main-Donau-Kanal als Verbindung der zwei größten mitteleuropäischen Flusssysteme bereits einigen Arten den Weg vom einen ins andere Flusssystem ermöglicht.
In den USA sind die Karpfen inzwischen schon kurz vor den Großen Seen angekommen, die durch die Kanäle in Chicago unnatürlicherweise mit dem Mississippi in Verbindung stehen. Die Bedenken sind daher groß, dass die Fische auch dort das Ökosystem umstülpen, indem sie sich zum dominierenden Planktonfresser entwickeln. Zwar hatte man schon 2002 in einem zum Lake Michigan führenden Kanal eine Sperre errichtet, aber es sieht nicht so aus, als würde das helfen. Genetische Spuren der Karpfen wurden bereits in den Seen ausgemacht, wenn auch der direkte Nachweis noch aussteht. Naturschützer und Fischerei fordern, dass der Warenverkehr über die Kanäle stärker eingeschränkt und die Kanäle gar geschlossen werden. Aber angesichts von Tausenden Tonnen an Waren, die auf diesem Weg jährlich transportiert werden, erscheint dies als unwahrscheinlich. Auch hier stehen starke Interessen dahinter, die Wege der Ausbreitung einer solchen Art nicht weiter zu beschränken. Trotzdem wurde ein eigenes Komitee gegründet, das die Invasion des asiatischen Karpfens in die Seen verhindert soll, das „Asian Carp Regional Coordination Committee“. Es hat im Jahr 2012 einen neuen, detaillierten Plan aufgestellt, um die Ansiedlung des Karpfens in den Seen zu verhindern. 22 Behörden sind daran beteiligt, von der Stadt Chicago über acht Bundesstaaten bis hin zu diversen Bundesbehörden.
Dabei sind die asiatischen Karpfen bei Weitem nicht die ersten Neuankömmlinge in den großen Seen. Auf einer Website der Umweltschutzagentur der USA (EPA) werden 25 Fischarten aufgeführt, die seit 1800 neu in die Seen gelangt sind. Die Zebramuschel kam 1988 an und macht nun große Probleme, da sie zum Beispiel die Zuläufe von Kraftwerken zusetzt – sie ist in dieser Hinsicht schon fast ein weltweites Problem. Aber auch Krebstiere sind eingewandert, zuletzt der „Fischhaken“-Wasserfloh (Bythotrephes cederstroemi) , der ebenfalls das Nahrungsnetz in den Seen verändern könnte. Und auch bei den Pflanzen an den Seeufern gibt es zahlreiche Einwanderer, darunter einige aus Europa wie das Gemeine Riedgras (Pragmites australis) , das Rohrglanzgras (Phalaris arundinacea) und der Froschbiss (Hydrocharis morsus-ranae) . Sie verändern die Biotope an den Ufern und beeinträchtigen damit die dort lebenden Arten, behindern aber auch den Bade- und Bootstourismus. Eine Datenbank aller bisher erfassten Arten nennt derzeit 182 Arten. Mehr als vierzig Prozent haben sich nach 1960 angesiedelt, man kann also sagen, dass etwa ein bis zwei neue Arten pro Jahr dazukommen. Und viele davon kommen einem aus Europa bekannt vor – entweder, weil sie hier heimisch sind, ober weil sie auch hier eingeschleppt wurden und sich ausbreiten.
Alles in allem haben die Bundesstaaten rund um die Großen Seen in den Jahren 2009 und 2010 allein 26,7 Millionen US-Dollar für die Bekämpfung von aquatischen invasiven Arten ausgegeben, davon allein 900 000 US-Dollar, um die Kontrolle der asiatischen Karpfen sicherzustellen. Aber das ist noch recht wenig, schaut man sich Berechnungen für die ganzen Vereinigten Staaten an. So kostet der Kampf gegen die ungeliebten Einwanderer die US-Steuerzahler jährlich 100 Milliarden Dollar, wie Gregory Ruiz vom Smithsonian-Umweltinstitut in Washington vorrechnet. Der Ökologe David Pimentel und Kollegen haben im Jahr 2005 berechnet, dass die Kosten für die USA, Großbritannien,Australien, Südafrika, Indien und Brasilien bei etwa 314 Milliarden US-Dollar liegen. Umgerechnet auf die Einwohner bedeutet das Kosten von 240 US-Dollar pro Kopf und Jahr. Nimmt man ähnliche Kosten weltweit an, wobei die Schäden durch invasive Arten von Region zu Region sehr unterschiedlich ausfallen, liegen die Gesamtkosten bei 1,4 Billionen US-Dollar, was in etwa fünf Prozent des weltweiten Bruttosozialproduktes entspricht.
Die genannten Beispiele zeigen, dass die Ursachen vielfältig sind, häufig eben auch ökonomischer Natur. Und gerade dieser Umstand macht es schwierig, diese Ursachen effektiv zu bekämpfen, etwa wenn es um den freien Handel und seine weltweiten Handelsströme geht – sei es, dass die betreffenden
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