Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
verstärkt ausgerechnet durch Naturfreunde – denn viele Samenmischungen für die Vogelfütterung, aber auch Saatmischungen für den Landschaftsbau waren und sind mit Ambrosien-Samen verunreinigt. Das Problem der Pflanze ist weniger ihre Ausbreitung und die mögliche Gefährdung einheimischer Arten als vielmehr ihr enormes allergenes Potenzial. Hinzu kommt, dass die Ambrosie erst im Spätsommer und Herbst blüht und damit die Leidenszeit für Pollenallergiker über die Blütezeit der einheimischen Allergie-verursachenden Pflanzen wie Gräser, Birke und Hasel hinaus noch weiter verlängert. Ökonomen am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung haben zusammen mit Gesundheitsforschern aus München im Jahr 2012 berechnet, was es bedeuten könnte, wenn sich die Ambrosie weiter ausbreiten würde. Die Kosten könnten sich auf 200 000 Millionen bis eine Milliarde Euro belaufen – pro Jahr. Dies errechnet sich aus den möglichen wachsenden Behandlungskosten der Allergiker, die um zehn bis 25 Prozent steigen könnten, was jährlichen Mehrkosten von ca. 1300 bis 2100 Euro pro Patient entspräche. Auch wenn es sich hier nur um grobe Schätzungen aufgrund einer Stichprobe von Betroffenen handelt, zeigt sich doch, wie schnell ein Mehr einer invasiven Art zu hohen Kosten führen kann. In Ungarn etwa, wo die Beifuß-Ambrosieschon fast flächendeckend verbreitet ist, ist seit einigen Jahren etwa ein Zehntel der gesamten Bevölkerung gegen die Pollen sensibilisiert. In der Schweiz gibt es bereits strenge Regelungen, die jeden Grundstücksbesitzer verpflichten, einen Fund der Pflanze zu melden und sie zu vernichten. Dort gibt es online eine Bestimmungshilfe, um auch als Nichtbotaniker festzustellen, ob man eine Ambrosie in seinem Garten hat. Diese Meldeund Vernichtungspflicht hat die Bestände in den letzten Jahren erheblich zurückgehen lassen. In Deutschland ist die Situation noch wesentlich schwieriger. In Brandenburg und Berlin, dem derzeitigen Hauptverbreitungsgebiet, treten immer wieder größere Bestände auf. In Berlin existiert eine „Ambrosie-Patrouille“, die Straßen und Brachflächen nach den Pflanzen absucht. Doch es gibt ein Problem. Werden Pflanzen auf einem privaten Gelände entdeckt, kann das nur gemeldet werden. Das Gelände zu betreten, um die Pflanze zu vernichten, ist nicht erlaubt. Aber immerhin kann sich jeder aktiv an der Suche beteiligen und Funde beim Aktionsprogramm gegen Ambrosia der Freien Universität Berlin melden. Befinden sich die Funde im öffentlichen Raum, werden sie vernichtet.
Die Beispiele von Krankheitserregern und gefährlichen eingeschleppten Arten wie der Ambrosie zeigen, wie sehr das Mehr-Werden von Teilen der Natur nicht nur positiv auf den Menschen wirkt, sondern wie wenig es überhaupt gesteuert wird, häufig unterliegen diese Prozesse nicht unserer Kontrolle. Mit Folgen nicht nur für die Natur, sondern auch für unsere Gesundheit und die Wirtschaft. Was wir jedoch als Missleistungen der Natur für den Menschen wahrnehmen, hat seinen Grund zumeist im Menschen selbst. Ein logischer Schritt des menschlichen Umgangs mit der Natur ist dann, solchen und anderen negativen Folgen mit menschlichem Erfindergeist zu begegnen und der Natur ein Schnippchen zu schlagen – indem wir das „Künstliche“ in die Natur Einzug halten lassen.
Ein Mehr an Künstlichem und seine Auswirkungen – Dauerhaftes im negativem Sinne
Grundsätzlich schätzen wir unser Essen sehr – hinsichtlich der Qualität ebenso wie der Quantität. Deswegen bemüht sich der Mensch schon seit sehr langer Zeit, seine Nahrungsmittel gegen die oben genannten Mitesser zu schützen. Die moderne Landwirtschaft macht es nötig, diese Mitesser meist chemisch zu bekämpfen. Heute sind allein in Deutschland ca. 250 Wirkstoffe und 1900 Präparate zugelassen, auf europäische Ebene sind es rund 800 Wirkstoffe und 20 000 Präparate – auch hier herrscht also eine sehr große Vielfalt. In Deutschland wurden im Jahr 2010 über 97 000 Tonnen an Pestiziden produziert, davon gingen 66 000 Tonnen in den Export, die Nutzung in Deutschland liegt bei ca. 35 000 Tonnen, in der gesamten EU bei ca. 100 000. Die Auswirkungen sind vielfältig, nicht allein auf die Zielorganismen, sondern auch auf „nützliche“ Arten, wie das Beispiel der Bienen zeigt. Aber auch die indirekten Effekte nehmen eher weiter zu als ab. Vor fünfzig Jahren, im Jahr 1962, veröffentlichte Rachel Carson mit „Der stumme Frühling“ das vielleicht einflussreichste Buch
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