Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
haben.
Fläche bekommt damit eine völlig neue Bedeutung in der Umweltdiskussion: Wie erhalten wir möglichst viele Leistungen aus der vorhandenen Fläche der Erde – und wie entscheiden wir, welche Nutzung wo Vorrang hat? Wie viel braucht der primäre Sektor zur Nahrungsmittelerzeugung, wie viel die Energieerzeugung für alle Sektoren? Und wie viel bleibt allein der Biodiversität in Form von Schutzgebieten vorbehalten? Der erste Impuls einer planenden Gesellschaft ist hier, Flächennutzungen zuzuweisen. In Deutschland geschieht das schon lange in Form der Landschaftsplanung und durch detaillierte Flächennutzungspläne. Darin werden Nutzungen zumeist schlicht flächig getrennt. Natur aber ist, auch in ihren Serviceleistungen für den Menschen, multifunktional. Dies zu berücksichtigen wird zunehmend wichtiger werden, allein schon zur Erhaltung unserer Gesundheit.
Mehr-Werden im Windschatten – Schädlinge, Parasiten, Viren und Allergene
Im Windschatten der vielen skizzierten Veränderungen des Mehr- und Weniger-Werdens breiten sich auch die Facetten einer Vielfalt aus, die unserem Wohlergehen und dem der von uns geförderten Organismen – ob Pflanze, ob Tier – wiederum abträglich sind. Im Sinne der Ökosystemdienstleistungen könnte man hier von Missleistungen (englisch: disservices) sprechen. Wie bei invasiven Arten sind diese Missleistungen zumeist ungewollte Nebeneffekte von erwünschten Leistungen. So ist die massive Ausbreitung von Pflanzenschädlingen oder von Krankheitserregern bei Zuchttieren vielfach eine schlichte Konsequenz aus deren Intensivnutzung. Und folglich gerät deren Bekämpfung wiederum zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor, der das ökonomische Wachstum steigert. Antibiotika sind in der Tiermast heute eine Selbstverständlichkeit, ebenso der Einsatz diverserchemischer Pflanzenschutzmittel – doch dazu später mehr. Und trotzdem vermögen es gerade Viren, Bakterien und Mikroorganismen, dieser Bekämpfung immer wieder ein Schnippchen zu schlagen, da sie genetisch enorm anpassungsfähig sind. Manche lassen sich daher effektiver mit ökologischen Mitteln bekämpfen, wie etwa bei der Schädlingsbekämpfung im ökologischen Landbau, wo auf die regulierenden Leistungen von Nützlingen gesetzt wird. Auch dies ist mittlerweile ein Geschäft – denn anstatt sich der chemische Lösung mit Spritzmitteln zu bedienen, kann man sich heutzutage auch Florfliegen oder Marienkäferlarven als lebende Blattlausbekämpfer in den Garten holen – einfach durch Bestellung im Internet.
Ist die „Fehlleistung“ der Natur hier noch durch Natur bekämpfbar, kann sie in anderen Fällen auch erhebliche Auswirkungen haben, etwa auf die Gesundheit. So hängt die Vielfalt an Krankheitserregern, die auch dem Menschen gefährlich werden können, global gesehen zunächst direkt mit der Artenvielfalt von Säugetieren und Vögeln zusammen, da Erreger von diesen Tiergruppen relativ leicht auf den Menschen überspringen können – die Vogelgrippe-Epidemie von 2006 ist ein Beispiel dafür. Durch ein immer stärkeres Eindringen der Menschen in deren Lebensräume und einen stärkeren Kontakt zu den Tieren, etwa auch durch die Jagd, vermutet man auch steigende Risiken von Infektionen mit neuen und gefährlichen Erregern.
So dringen aufgrund des Klimawandels und möglicher Einbringung durch die weltweiten Handelsströme zunehmend Mückenarten nach Deutschland, die normalerweise nur im Mittelmeerraum oder in den Tropen vorkommen und als Überträger gefährlicher Krankheiten bekannt sind. Die asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) etwa ist zunehmend in Mittelmeerländern und auch schon in Deutschland anzutreffen. Nach Europa gelangt sie durch den Import gebrauchter Autoreifen, in denen sich kleine Wasserlachen halten, die den Eiern das Überleben ermöglichen.Die asiatische Tigermücke kann das Dengue-Virus und zahlreiche anderen Viren übertragen, weswegen wieder verstärkt Monitoring-Maßnahmen für Mücken in Europa nötig werden, eine Tätigkeit, die man Mitte des 20. Jahrhunderts eingestellt hatte, weil es gelungen war, die Malariamücke weitgehend auszurotten. Doch auch die könnte im Zuge des Klimawandels irgendwann wieder nach Europa kommen.
Ein anderes Beispiel mit potenziell enormen Kosten ist die schon erwähnte Beifußblättrige Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) , die aus Nordamerika stammt und schon lange in verschiedene Regionen in Europa eingeschleppt worden ist. Nach Deutschland gelangte sie vermutlich
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