Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
nur noch fünfzehn Otterlegungen prämiert, in den Folgejahren nie mehr als vier.
Diese Logik schlug sich auch noch im Reichsjagdgesetz vom 3. Juli 1934 nieder, wo zwar erstmalig eine ganzjährige Schonzeit verfügt wurde, es aber gleichzeitig den Eigentümern und Pächtern von Fischteichen gestattet wurde, beim Auftreten „erheblicher Schäden“ den Otter zu fangen oder zu erlegen. Nur in weiterhin recht dünn besiedelten Gebieten und solchen, die extensiverbewirtschaftet wurden, wie die Oberlausitz, konnten sich noch kleine Restbestände halten, die aber bis in die 1970er-Jahre noch weiter zurückgingen. Dann setzten in der DDR verstärkte Schutzbemühungen ein, von der Betreuung der Otterbestände bis hin zur völligen Unterschutzstellung durch die Artenschutzverordnung im Jahr 1984, sodass sich die Bestände allmählich erholten. Mittlerweile gibt es wieder größere Bestände in Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, und man versucht, die Ausbreitung weiter zu fördern, etwa in den Mittelgebirgen entlang den Flüssen. Das größte Problem stellt dabei der Straßenverkehr dar. Jedes Jahr kommen mehrere Dutzend Tiere bei ihrer Suche nach neuen Lebensräumen auf Straßen ums Leben oder wenn sie in ihren Revieren umherstreifen. Über die Hälfte der nachgewiesenen Verluste seit 1950 ging darauf zurück. Seit Anfang der 1990er-Jahre ist dieser Anteil auf über achtzig Prozent gestiegen, da der Autoverkehr nach der Wiedervereinigung stark zugenommen hat. Kontinuierlich abgenommen hat hingegen die Bedeutung der Jagd. So wurden etwa Teichwirte, von denen Otterschäden gemeldet werden, schon in DDR-Zeiten entschädigt, um die Konflikte mit den Tieren zu minimieren und den Anreiz, die Tiere selbst zu erlegen, zu verringern. Ferner werden Gegenmaßnahmen wie die Einzäunung der Teichanlagen finanziell unterstützt, ebenso der Besatz von „Ablenkungsteichen“ mit Fischen, welchen ein Otter „abfischen“ kann.
Fischotter und Biber profitieren erheblich von einem gewissen Image, das sie als Vorzeigearten des Naturschutzes haben: Sie tragen Fell, sehen nett aus und üben mit ihrer Lebensweise auch eine gewisse Faszination auf uns aus. Im Naturschutz nennt man solche Arten „Flaggschiff-Arten“. Die hohe Bereitschaft der Menschen, sie zu erhalten, soll gleichzeitig helfen, auch ihren Lebensraum und andere darin lebende Arten schützen zu können. Bei knappen Mitteln bevorzugt der Naturschutz Maßnahmen für solche Arten, gerade auch wenn sie in den jeweiligen Roten Listenals stark bedroht angegeben werden, was verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen belegen.
Ähnlich wie die Geschichten mancher ausgerotteter Arten wie Riesenalk oder Wandertaube zeigen die Geschichten von Biber und Fischotter ein sich veränderndes Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Wurde die Natur in Mitteleuropa früher als Ressource oder, gerade andersherum, als Ursache der Gefährdung von Ressourcen angesehen und deswegen ausgebeutet oder bekämpft, sind die Konflikte heute anders gelagert: Nun geht es vornehmlich um den Besitzstand an der Landschaft und um deren Nutzung durch den Besitzer. Ein sich frei bewegendes Tier, das sich wenig um den Besitzstand schert, sondern um sein Überleben, passt da nicht ins Bild. Solche sogenannten Mensch-Wildtier-Konflikte nehmen einen immer größeren Raum in der Diskussion um den Naturschutz ein, denn wie schon oben beschrieben: Die Konkurrenz um Flächen und deren Ressourcen nimmt stetig zu, und um die Natur zu erhalten, wird es nicht ausreichen, sie auf Schutzgebietskonzepte zu beschränken. Gerade die Flaggschiff-Arten brauchen große Lebensräume, die sich in Mitteleuropa auch in die Kulturlandschaften hinein erstrecken müssen.
Viele Beispiele zeigen, dass ein solches Nebeneinander möglich ist, ob bei Fischotter und Biber, Seehund, Kormoran oder Kranich, auch wenn es jeweils zu spezifischen Problemen kommt, die ernst genommen werden müssen. So führt etwa die Wiederverbreitung der bis vor zwanzig Jahren stark zurückgedrängten Kegelrobbe in der Ostsee dazu, dass sich Fischer, wie schon früher, über deren Hunger und das Wegfressen von Fischbeständen beklagen.
Das eindrucksvollste Beispiel, wie ein erfolgreicher Naturschutz auch alte Konflikte wieder aufleben lässt, ist der europäische Kormoran, der vielleicht effektivste Fischjäger, den es in europäischen Gewässern gibt. Aus eben diesem Grunde war er, ähnlich wie der Fischotter, heftigst bejagt worden und in
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