Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
den1950er-Jahren aus Mitteleuropa praktisch verschwunden. Das Brüten in Kolonien macht ihn besonders anfällig für die Jagd, und so wurden die letzten Kolonien in Deutschland schon in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts vernichtet. Von Brutkolonien in Dänemark und Polen aus begann in den 1950er-Jahren eine allmähliche Wiederbesiedlung. Durch Unterschutzstellung erholte sich der Bestand seitdem, zunächst nur ganz allmählich, dann rasanter, sodass die Bestände in Europa heute wieder auf hohem Niveau sind. Der Bestand an Brutvögeln wird in Deutschland auf 24 000 Paare geschätzt, hinzu kommen noch viele tausend Vögel, die aufgrund des begrenzten Platzes in Kolonien nicht brüten können und daher auch im Sommer umherstreifen. Durch diese wachsenden Bestände hat der Konflikt um den Kormoran, der zwischen Teichwirten, Fischern und Anglern auf der einen Seite und Naturschützern auf der anderen schwelt, wieder massiv zugenommen. Dabei ist ein Management, wie es für Fischotter und Biber entwickelt wurde und das man auch für andere Arten wie Luchs und Wolf einsetzt, für den Kormoran schwerer zu realisieren, denn als Vögel mit großen Beständen ziehen die Tiere sich im Laufe der Jahreszeit von Nord- nach Südeuropa und zurück. In der lokalen Wahrnehmung zählt aber nur die örtliche Brutkolonie, und so ist es in den letzten Jahren zunehmend zu Ausnahmegenehmigungen in manchen Regionen gekommen, wo Kormorane vergrämt oder abgeschossen wurden, um die Größe der Brutkolonien zu reduzieren und damit auch den Druck auf die Fischbestände. Dabei wird außer Acht gelassen, dass es eine Vielzahl von Kormoranen gibt, die keinen Brutplatz in den Kolonien bekommen haben und im nächsten Jahr etwaige leere Plätze einnehmen, sodass der Brutbestand trotz der Maßnahmen stabil bleibt. Der regionale Druck ändert sich also allenfalls sehr kurzfristig. Wenn man den Kormoran managen und einen Ausgleich zwischen Naturschutz und Ressourcenschutz schaffen will, braucht man einen europaweiten Managementplan,was das Europäische Parlament übrigens bereits im Jahr 2008 gefordert hat. Wie ein solcher Plan aussehen kann, ist nicht leicht zu sagen. Pauschal zu fordern, dass die Hälfte aller Kormorane in Deutschland „von der Bildfläche verschwindet“, wie es der deutsche Fischereiverband 2010 formulierte, ist sicherlich eher einseitig gedacht. Eine europaweite Regelung bei unklarer Datenlage scheint allerdings weiter schwierig, und so haben die Europäische Kommission und die Mitgliedsstaaten der EU bislang wenig unternommen.
Diese Beispiele des wieder Mehr-Werdens zeigen exemplarisch, dass die Bestrebungen des Menschen, einzelne Arten zu erhalten, zugleich die beiden Seiten unserer Beziehung zur Natur widerspiegeln. Gerade in Mitteleuropa sind viele von uns bereit, die Natur um ihrer selbst willen zu schützen und im Falle einzelner charismatischer Arten durch einen großen Einsatz von Mitteln vor dem Aussterben zu bewahren. Wie beim Kakapo und vielen anderen Flaggschiff-Arten deutlich wird, funktioniert dies auch ohne Konflikte. Bei anderen Arten aber treten schnell wieder die Probleme zutage, die unsere biologische Seite produziert, indem sie die Natur zum optimalen Dienstleister für den Menschen umgestaltet und damit zu unserem Besitzstand erklärt. Fischotter und Kormoran sind zwei Beispiele aus Europa, die Liste könnte man aber weltweit beliebig erweitern, um Tiger, Elefant, Robbe, Bär und Luchs und viele, viele mehr. Der nullte Sektor unserer Wirtschaft steht hier im beständigen Konflikt vor allem mit dem primären Sektor, der Nahrung und Sicherheit für den Menschen sicherstellen soll. Das Beispiel des Fischotters zeigt aber auch, dass wir über vielfältige Möglichkeiten verfügen, solche Konflikte zu kontrollieren und sogar in einen Gewinn zu verwandeln. Meistens spielt es dabei eine Rolle, dass andere Sektoren der Wirtschaft die Funktion des primären Sektors als Einkommensquelle für den Menschen übernehmen. Der Tourismus in Nationalparks ist hier nur ein Beispiel. Aber auch die anderenDienstleistungen von Ökosystemen werden wieder in ihrem Wert wahrgenommen – und damit kommen wir von der Facette der Arten auch wieder zur Facette der Ökosysteme.
Wiederherstellung von Ökosystemen – was kaputt ist, leistet auch nichts
Eine triviale Erkenntnis ist die, dass etwas, was kaputt ist, nicht mehr seine volle Leistung bringt. Dies gilt für einen defekten Fernseher oder ein defektes Fahrzeug ebenso wie
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