Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
für ein Ökosystem. Ein Acker mit verseuchter Erde ist nutzlos im Sinne seiner Produktionsleistung für Nahrungsmittel. Ein leer gefischtes und überdüngtes Meer liefert keinen Fischerei-Ertrag. Aber auch andere Leistungen sind schnell bedroht, wenn man ihre Bedeutung großräumig missachtet, so etwa bei vielen regulierenden Dienstleistungen wie dem Überflutungs- oder Klimaschutz. Dass diese Leistungen immer weniger werden, haben wir in Kapitel drei gesehen. Gleichzeitig nimmt ihre Bedeutung aber zu, sodass man sich mehr und mehr bewusst macht, dass die Wälder der Erde eine Funktion als Kohlenstoffspeicher haben und die Auen und Deltas mit intakten Feuchtgebieten wichtig für den Hochwasserschutz sind.
Durch diese neu erkannte wirtschaftliche Bedeutung gewinnt es an Attraktivität, über die Wiederherstellung solcher Ökosysteme wieder nachzudenken und sie dort umzusetzen, wo wichtige Leistungen geliefert werden. Dabei gilt grundsätzlich, dass ein Nichtzerstören immer besser sein wird als eine spätere Wiederherstellung. Allein die Zeiträume, die es braucht, um Ökosysteme wiederherzustellen, sind teilweise enorm. Für Grünland geht man etwa von wenigen bis zu hundert Jahren aus, für Heiden von einem Zeitraum von mehr als fünfzig Jahren. Graudünen könnten bis zu 500 Jahre brauchen, und Hochmoore sind nicht unter1000 Jahren zu haben. Und selbst dann werden, je nach Ökosystem, nicht alle Arten der ursprünglichen Systeme vorhanden sein, und auch die Dienstleistungen können anders aussehen als zuvor.
Auch die Kosten variieren entsprechend. Kann man etwa bei Grünland und Wäldern die Wiederanlage durch Saat und Pflanzung mit etwa zehn bis 2000 Euro pro Hektar recht kostengünstig gestalten, verursachen andere Systeme wie Feuchtgebiete unter Umständen hohe Kosten und eine intensive Betreuung – die Erfahrungswerte liegen hier zwischen zehn bis zu 100 000 Euro pro Hektar.
Der Mehrwert ergibt sich zumeist erst nach mehreren Jahren. Durch die langen Zeiträume der Regenerierung mag man bei manchen Leistungen der Ökosysteme, etwa bei der Wasserfilterung oder der Kohlenstoffspeicherung in Mooren, erst allmählich und über viele Jahrzehnte hinweg eine volle Leistungsfähigkeit erreichen. Andere Leistungen aber, etwa die Unterstützung des Hochwasserschutzes durch Wiederherstellung von Überflutungsflächen, können sehr kurzfristig nutzbar werden. Dabei wird die Planung solcher Maßnahmen um einiges schwieriger als bei der Fokussierung auf die Rettung einzelner Arten in einem Ökosystem. Diese treten vielleicht nur mit einer speziellen Nutzungsform wie der Fischerei in Konflikt. Bei den Regulationsleistungen der Natur aber kommen viele Nutzer ins Spiel, nicht nur der derzeitige Nutzer einer Fläche, sondern vielleicht die Nutzer der Leistung Wasserfilterung, der Leistung Hochwasserschutz oder der Leistung Erholung.
Fazit – das Mehr-Werden und seine vielen Facetten
Seit Beginn seiner Sesshaftigkeit hat der Mensch das Mehr-Werden von Natur aktiv und mit immer größerer Effizienz und Auswirkung auf den natürlich entstandenen Teil der Biodiversitätbetrieben. Der Mensch hat sich dabei mal mehr, mal weniger bewusst dafür entschieden, einzelne Facetten der Vielfalt der Natur zu fördern, etwa die Maispflanze, das Rind oder die Produktionsleistung des Ackerbodens. Zumeist stand dabei die Förderung des primären Wirtschaftssektors – Produktion von Nahrungsmitteln und andere Naturprodukten – im Vordergrund. Mit dem Aufstieg der anderen Wirtschaftssektoren – Industrieproduktion und Dienstleistungssektor – steigen aber auch die indirekten Auswirkungen auf die Natur als nullten Sektor. Lange war es hier möglich auszuweichen – in neue Gebiete oder auch tiefer in die Ozeane. Diese Ausdehnung stößt an ihre Grenzen, und mehr und mehr muss darüber nachgedacht werden, wie die Natur als nullter Sektor und Basis allen Wirtschaftens viele Leistungen für den Menschen gleichzeitig erfüllen kann. Dabei das Mehr und Weniger in einen Ausgleich zu bringen ist die Herausforderung. Einige Lösungsansätze wurden schon angesprochen. Und noch viele mehr liegen vor uns, wenn wir vermeiden wollen, dass die Missleistungen der Natur für den Menschen nicht gegenüber den Leistungen weiter überhandnehmen.
„Der Umgang mit der veränderlichen Natur
schwankt immer zwischen Nutzen
und Schützen, Eingreifen und Bewahren,
Vorgang und Zustand.“
WOLFGANG HABER,
DEUTSCHER LANDSCHAFTSÖKOLOGE
5. Mit einem Mehr und
Weitere Kostenlose Bücher