Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
die heute an keiner Küste fehlen darf. Der Effekt der Strandkörbe und der vielen Füße, die dort täglich durch den Sand stapfen, ist direkt daneben zu erkennen, wo der Badestrand endet: Auf Höhe der Strandkörbe am Fuß der Weißdünen finden sich viele kleine, nur wenige Jahre alte und teilweise nur wenige Zentimeter hohePrimärdünen, die Embryos einer zukünftigen neuen Dünenkette, die vielleicht auch bis zu zwanzig Meter hoch werden kann. Dort entfaltet sich die Naturdynamik einer ostfriesischen Düneninsel noch recht frei – je weiter man vom Badestrand gen Osten geht, desto stärker zeigt sich die Dynamik, auch weil der Strand immer breiter wird. Und auch die Vögel haben dort wieder eine bessere Chance, in Ruhe zu rasten, allerdings sind sie auch nur am Ende der Insel, viele Kilometer entfernt, wirklich ungestört, da nur dort den ganzen Sommer lang ein Betretungsverbot herrscht. Dazwischen liegt Kompromissgelände.
Schweift der Blick noch weiter über den Strand, über die Kite-Surfer und die Badenden hinweg, sieht man vielleicht einen der Krabbenkutter, die auch weiterhin im Nationalpark fischen dürfen. Oder der Besucher erspäht am abendlichen Horizont die dichte Lichterkette der Frachter durch die Nordsee, zwischen Ärmelkanal und den Häfen in Hamburg, Bremen und der Ostsee, auf einer der meistbefahrenen Schiffsrouten der Welt mit etwa 25 Prozent der weltweiten Schiffsbewegungen. Deren Effekte zeigen sich auch am Strand in Form des Mülls, den unsere Meere mittlerweile beherbergen. Noch in den 1980er-Jahren mischten sich viele Teerrückstände von gespülten Öltanks darunter. Dies hat heute durch strenge Regulierung stark abgenommen. Auch findet man hin und wieder einen Vogel am Strand, der an einem Stück Netz oder Angelschnur oder an verschluckten Plastikkleinteilen verendet ist. Daran zeigen sich lokal die Kosten unseres weltweiten Handels und des Verlangens nach mehr und billigeren Gütern.
Bei klarer Sicht kann man zum Westen hin auch den ersten Offshore-Windpark Deutschlands vor der Nachbarinsel Borkum sehen und ahnt, dass die Nordsee, wie auch jedes Stück Land in Deutschland, vielfältigen Nutzungsinteressen ausgesetzt ist. Eine Karte des Bundesamtes für Naturschutz der ausschließlichen Wirtschaftszone Deutschlands in der Nordsee – also desBereichs, in dem Deutschland den alleinigen Zugriff auf die Nutzung hat – weist neben der Fischerei zahlreiche Schifffahrtsrouten, Gasförderplattformen, Pipelines, Kabeltrassen und eben großflächige Bereiche zur Windenergienutzung aus. Die durch diese Nutzungen erwirtschafteten Güter kommen zumeist auch der Insel Juist in der einen oder anderen Form zugute. Ohne Strom und Gas etwa wäre es dort reichlich ungemütlich, wie in früheren Zeiten, als die Bewohner noch das angeschwemmte Holz für den Kamin sammeln mussten.
Dies lässt erahnen, dass der erste Eindruck, dass Nutzung und Schutz auf einer Insel im Nationalpark in einem guten Miteinander stünden, sich schnell relativieren kann. Denn macht man sich die Abhängigkeiten von externen Importen bewusst – sei es der Windstrom vom Festland oder auch Fischerei und Handelsschifffahrt –, merkt man, dass ein solcher Ort stark von Umweltbelastungen an anderer Stelle abhängig ist.
Damit werden auch wieder die Konflikte sichtbar, die dem zugrunde liegen und bei jeder Entscheidung neu diskutiert werden müssen. Was gesteht man dem Tourismus und damit der lokalen Wirtschaft zu? Muss ein neuer Pfad, und sei er auch nur auf Holzpfählen gebaut, durch die Dünen führen? Warum gibt es so viele Verbote? – Früher durfte man auf den Wattwiesen noch Strandflieder pflücken, und die Vögel waren trotzdem da! Sollten Windkraftanlagen an Land oder im Meer gebaut werden? Oder gar auf der Insel?
Viele dieser Konflikte sind alt. So wurden die Inseln früher noch viel intensiver zur Beweidung bis in die Dünen hinein genutzt. Für den Tourismus hielt man es zu Zeiten Otto Leeges für unbedingt notwendig, dass man zum Vergnügen auch Wattvögel abschießen durfte. In Südeuropa gehört dies auch heute noch vielfach zur Landeskultur. Auf den Sandbänken vor der Insel Juist wurden die Seehunde lange aktiv bejagt. Hier wurden im Jahr 2012 erstmals seit langem wieder Stimmen laut, die den hohenBestand an Seehunden von derzeit ca. 20 000 Tieren in der Nordsee kritisieren und eine Bejagung fordern – zum Wohl der in erster Linie durch den Menschen übernutzten Fischbestände.
Das letzte Beispiel zeigt, dass
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