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Biografie eines zufälligen Wunders - Roman

Biografie eines zufälligen Wunders - Roman

Titel: Biografie eines zufälligen Wunders - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Residenz
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Ton:
    »Eine Niere fehlt, starke Unterkühlung, infolgedessen Lähmung der unteren Extremitäten …«
    »Ist das überhaupt möglich?«, fragte die Frau rechts von ihm.
    »Ich weiß es nicht. Könnte was Neurologisches sein.« Er wandte sich Hund zu: »Ihr Arzt hat eine Operation angeraten, aber Sie haben abgelehnt. Warum?«
    »Ich hatte nicht das Geld«, antwortete Hund.
    »Soviel ich weiß«, sagte der Vorsitzende, ohne bei dieser Lüge zu erröten, »ist die medizinische Versorgung in der Ukraine kostenlos.«
    Hund wurde verlegen:
    »Ich weiß nicht … Der Arzt wollte fünftausend haben.«
    »Sie beschuldigen Ihren Arzt, bestechlich zu sein?«
    »Um Gottes willen, nein! Ich wusste nicht, dass das eine Bestechung sein sollte.«
    »Im ärztlichen Attest steht nichts von Geld. Hier steht nur, dass Sie auf eine Operation verzichten. Sie setzen Ihren Körper bewusst dem Risiko einer Behinderung aus. Sie alleine tragen die Schuld daran.«
    »Ich komme aus einer kinderreichen Familie«, murmelte Hund. »Meine Eltern konnten mir nicht helfen. Mein Vater ist selbst behindert, und ich habe kein Geld.«
    Der Kommissionsvorsitzende wechselte das Thema.
    »Arbeiten Sie irgendwo?«
    »Ich habe Reinigungsmittel im Dorfladen verkauft.«
    »Können Sie eine Arbeitsbestätigung vorlegen?«
    »Sie wollten mir keine geben. Sie meinten, ich arbeite nicht offiziell.«
    »Also haben Sie nirgendwo gearbeitet?«
    »Doch!«
    »Keine Bescheinigung heißt: Sie haben nicht gearbeitet.«
    Der Mann flüsterte seinem Sitznachbarn etwas zu. Beide schmatzten unzufrieden.
    »Kommen wir zurück zu Ihrer Verletzung. Warum können Sie nicht gehen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Hund kaum hörbar, »ich kann meine Beine nicht bewegen.«
    »Das ist keine Diagnose. In Ihrer Krankenakte steht, dass Sie stark unterkühlt waren und das Gefühl in den Beinen verloren haben.«
    »Ja. Ich kann meine Beine nicht spüren.«
    »Wie sollen wir wissen, dass Sie uns nicht anlügen?«
    »Weil sie in ihrem ganzen Leben kein einziges Mal gelogen hat!«, rief Lena.
    »Ich bitte um Ruhe«, unterbrach der Vorsitzende, »sprechen Sie nicht ungefragt.« Zu Hund sagte er: »Der Arzt schreibt hier, dass ihm so etwas noch nie untergekommen ist. Uns auch nicht. Bei starken Erfrierungen an den Extremitäten werden diese in der Regel aufgrund von Gefrierbrand sofort amputiert. Das nennt man Amputationsstümpfe der unteren Extremitäten. In Ihrem Fall wurde das Knochen- und Muskelgewebe nicht beschädigt. Theoretisch müssten Sie gehen können.«
    »Aber sie kann eben nicht gehen!«, rief Lena wieder. »Hund, steh auf, zeig ihnen, dass du nicht einmal aufstehen kannst!«
    »Wir werden Sie gleich hinausbitten!«
    »Und das wäre auch in Ordnung, weil ich rausgehen kann, sie aber nicht!«
    »Beruhigen Sie sich, Verehrteste!«
    Die Kommissionsmitglieder steckten die Köpfe zusammen und flüsterten einander etwas zu. Dann stand der Vorsitzende auf und verkündete feierlich:
    »Aufgrund der vorgelegten Dokumente und des persönlichen Eindrucks bewilligen wir, die Kommission, bestehend aus dem Vorsitzenden, zwei stellvertretenden Vorsitzenden und einer wissenschaftlichen Kommissionssekretärin, Ihnen für ein Jahr die dritte Invaliditätsstufe wegen möglicher Reversibilität der Behinderung. Nach einem Jahr kann die Kommission den Invaliditätsantrag auf Ihren Wunsch erneut prüfen. Während dieses Jahres haben Sie das Recht, Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen, die durch die ukrainische Gesetzgebung für Personen der dritten Invaliditätsstufe vorgesehen sind. Die da wären: Sie erhalten unentgeltliche Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln, mit Ausnahme von U-Bahn und Taxi, und Sie haben das Recht, sich einmal alle zwei Jahre um einen Kuraufenthalt zu bewerben. Im Falle einer Anstellung, die wir Ihnen übrigens besonders ans Herz legen, stehen Ihnen sechsundzwanzig Urlaubstage zu.«
    »Was ist mit der Rente und dem Rollstuhl?«, fragte Lena.
    »Eine Rente ist in der dritten Invaliditätsstufe nur bei einer Alterspensionierung, und zwar in Höhe von fünfzig Prozent der regulären Pension, vorgesehen. Ein Rollstuhl wird nur Personen mit eingeschränkten Möglichkeiten der Kategorien A und B der ersten Invaliditätsstufe gestellt.«
    »Das heißt, es gibt keinen Rollstuhl?«
    »In der dritten Invaliditätsstufe wird kein Rollstuhl bereitgestellt. Es besteht keine Notwendigkeit.«
    »Was heißt, keine Notwendigkeit?! Schauen Sie sie doch an! Sie sitzt schon seit zwei

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