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Birnbaeume bluehen weiß

Birnbaeume bluehen weiß

Titel: Birnbaeume bluehen weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
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Nägel, Fingerglieder, Hände, Handgelenke, Unterarme, Ellbogen, Armmuskeln und dann noch die Schultern. Ich strengte mich so an, dass der Satz mit voller Kraft durch meinen Kopf geschleudert wurde. Als ich fühlte, dass auch meine Schultern wieder da waren, machte ich den Mund auf, und die drei Wörter wurden sozusagen hinausgeschleudert. Danach bin ich, glaube ich, wieder weggetreten.

    Jetzt weiß ich es. Ein Krankenhaus. Ein Bett. Der schwere Arm ist ein Gipsarm. Meine Nase ist nicht aus Eisen, ein Schlauch steckt darin, und durch den Schlauch gelangt Nahrung in meinen Magen. Ich habe noch viel mehr Schläuche im Körper, überall verteilt. Ich habe keine Milz mehr, aber das sagt mir wenig. Ich versuche, mich aufzurichten, mich im Bett allein hochzustemmen, aber davon bekomme ich höllische Schmerzen in der Brust. Jemand muss mir das erzählt haben. Wann bloß?

    Noch immer weiß ich nicht, ob es Tag oder Nacht ist. Wenn ich die Augen weit aufreiße, wird es nicht hell. Ich glaube, dass es dazugehört, dass mein Körper Stück für Stück langsam wieder seine Funktionen zurückbekommt. Ich kann hören, riechen und fühlen. Ich weiß, dass ich vor kurzem geschrien habe, meine Stimmbänder fühlen sich rau an. Danach habe ich nichts mehr gesagt, weil meine Kehle sich nicht nur rau anfühlt, sondern vor allem unbenutzt.

    Ich glaube, dass es Nacht ist. Irgendetwas rauscht, irgendwo in der Nähe, und auch weiter weg, wie eine Straße, auf der nicht viel Verkehr ist. Jetzt höre ich Schritte, sie werden lauter, halten einen Moment inne und werden noch lauter. Es ist still, ich höre jemanden atmen. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Ich werde versuchen, etwas zu sagen. »Wer ist da?«, frage ich. Was soll ich sonst sagen? Ich flüstere, meine Stimme hat keine Kraft. Jemand fasst meine Hand. »Harald«, sagt eine Männerstimme. Harald? Ich kenne keinen Harald, aber die Stimme kommt mir bekannt vor.
    »Ist es Nacht?«, frage ich.
    »Es ist Nacht«, sagt die Stimme, die Harald heißt.
    Jemand hat mich berührt, und ich kann es fühlen, ich spüre die Hände von anderen auf meinem Körper. Kann ich mich selbst auch fühlen? Kann ich meinen Arm, den gesunden Arm, nicht den anderen, hochheben und mich selbst mit meiner Hand befühlen? Der Arm hebt sich, weil ich das will. Ich kann denken und steuern. Erst mein Bauch. Ich erwarte eine Kuhle, aber ich fühle einen ganz dünnen Schnitt, der viel höher liegt, als ich dachte. Ich lasse meine Hand weitergleiten und lande an meinem Gipsarm. Ich höre Vögel, es wird Tag sein. Es ist seltsam, meinen Arm zu berühren und nichts zu spüren.
    Jetzt will ich mir die Augen reiben, aber ich bin müde und kriege meinen Arm nicht weiter als bis zum Kinn. Meine Fingerspitzen bleiben dort stecken. Ich fühle nichts, mein Kinn ist glatt. Ich hatte doch …

    Ich kann nicht an meine Augen herankommen. Sie sind bedeckt.
    »Das ist ein Verband.« Klaas.
    »Habe ich mir den Kopf verletzt?«, frage ich.
    »Ja.« Kees. Er gibt schon Antwort, bevor ich ausgesprochen habe.
    »Warum?«
    »Wir haben einen Unfall gehabt.« Gerard. »Mit dem Auto.«
    »Wann?«
    »Vor anderthalb Wochen. Weißt du das nicht mehr?«
    »Nein«, sage ich. Ich weiß es nicht mehr. »Was für einen Tag haben wir heute?«
    »Donnerstag«, sagt Kees. »Morgen ist Freitag.«
    »Ja, und übermorgen ist Samstag. Ich bin nicht doof.«
    Daan. Ich habe einen Hund, der Daan heißt. Es war Daan, der von meinen Füßen zu meiner Brust lief und mir übers Gesicht leckte. Wo ist er?

    »Wann kann das hier ab?«, frage ich.
    »Bald«, sagt Harald.
    »Ich will mir so gerne die Augen reiben.«
    »Bald«, sagt Harald wieder.
    »Was für ein Tag ist heute?«
    »Samstag.«

    »Ach, Gerson, mein Junge, mein Liebling.«
    »Oma?«
    »Ja, ich bin hier, Liebling. Warte, ich nehme deine Hand.« Anna fasst meine Hand. Ich fühle, dass es ihre Hand ist, sie ist rau und trocken.
    »Ist Opa auch da?«
    »Ich bin auch da.« Jan streichelt mir mit den Fingerknöcheln über die Wange. Das ist neu, alle wollen mich plötzlich anfassen.
    »Sie sagen, dass ich eine Woche im Koma gelegen habe.«
    »Das ist auch so, Gerson, Liebling. Aber jetzt bist du wieder da.«
    »Geht es mir eigentlich gut?«
    Stille. Ich höre wieder Vögel, das Zwitschern klingt, als wenn es aus der Tiefe käme. Es ist Tag. Stell dir vor, Jan und Anna würden hier mitten in der Nacht sitzen. Dann bräuchte ich nicht zu fragen, ob es mir gutgeht.
    »Wie hoch ist es hier

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