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Birnbaeume bluehen weiß

Birnbaeume bluehen weiß

Titel: Birnbaeume bluehen weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
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Befehl ins Ohr geflüstert bekommen, und jagten auf die andere Seite der Weide.

    »Ich will rein«, sagte Gerson.
    »Rein?«, sagte Anna. »Warum? Wir sitzen hier gerade so schön.«
    »Ich will rein.«
    Wir standen auf, um ihm zu helfen. Er hörte es. »Nein«, sagte er, »ich schaffe es schon alleine.« Er stand ein wenig wacklig auf, die linke Hand auf die Plastiklehne des Gartenstuhls gestützt. Anna stand auch auf, aber sie blieb neben ihrem Stuhl stehen, die Arme ein wenig angehoben, bereit einzugreifen. Sie sah uns an, und wir zogen die Schultern hoch. Als Gerson in der Mitte des Rasens war, kam ein Nachbar um die Ecke von unserem Haus. Das Dorf, in dem wir wohnen, ist so klein, dass alle Leute Nachbarn sind. In den letzten Tagen waren schon viele Nachbarn vorbeigekommen.
    »Hallo«, rief der Nachbar laut, als glaubte er, Gerson sei taub. »Ich dachte, ich komm mal eben vorbei und schaue, wie’s dir geht …«
    »Nummer siebzehn«, hörten wir Gerson murmeln. Anscheinend hatte er die Besuche gezählt. Er ging noch ein Stückchen weiter und stieß dann auf den Nachbarn. Der wollte ihm die Hand geben, aber der Gipsarm brachte ihn ein wenig durcheinander, und darum fasste er Gerson bei seiner linken Hand. Der Nachbar trug einen Overall und Holzschuhe. Eine Schirmmütze hing schräg auf seinem Kopf. Die Knie seines Overalls waren erdig. Er hatte – genau wie Jan und Gerard, genau wie das ganze Dorf – im Garten gearbeitet.
    »Es geht so«, hörten wir Gerson sagen.
    »Das ist schön«, sagte der Nachbar. Er hielt noch immer Gersons Hand fest.
    »Ja, schön«, sagte Gerson.
    Es war kurze Zeit still. Der Nachbar ließ Gersons Hand endlich los. Wir waren auch aufgestanden. Da war etwas in Gersons Stimme, das bewirkte, dass wir nicht einfach sitzen bleiben konnten.
    »Es geht dir also gut«, sagte der Nachbar, der – das war überdeutlich – nicht wusste, wie er sich verhalten sollte. »Dein Vater sagte mir, dass du hier hinten im Garten sitzt. Er sitzt schön in der Sonne, sagte er.«
    »Hat mein Vater das gesagt? Dass ich schön in der Sonne sitze?«
    »Ja.«
    »Hat mein Vater mich hier schön in der Sonne sitzen sehen?«
    Der Nachbar sagte nichts. Er schaute ein wenig unbehaglich vor sich auf den Boden. Er nahm seine Mütze vom Kopf und drehte sie in seinen Händen.
    »Haben Sie eine Milz?«, fragte Gerson.
    »Äh, ja«, sagte der Nachbar. »Ich glaube schon.«
    »Ich nicht«, sagte Gerson.
    »Ach«, sagte der Nachbar. Er dachte einen Moment nach. »Ist das schlimm?«, fragte er dann.
    Wir standen im Schatten der Zeder und schauten und hörten zu. »Sehen Sie die Pflaster auf meinen Augen?«, fragte Gerson.
    Der Nachbar konnte nur ja sagen.
    »Glauben Sie, dass ich es schön finde, hier in der Sonne zu sitzen?«
    »Gerson!«, rief Anna.
    »Würden Sie es schön finden, im Garten zu arbeiten, ohne was zu sehen? Blind die Schaufel in die Erde stoßen, ohne was zu sehen, ohne was zu sehen Pflanzen setzen?«
    »Ich …«, fing der Nachbar an.
    »Nein«, sagte Gerson. »Ich gehe rein, ich habe Kopfweh.« Er setzte vorsichtig einen Fuß vor und lief gegen die Mauer. Anna trat einen Schritt nach vorn. Gerson legte die linke Hand gegen die Mauer und tastete sich langsam Richtung Haus. »Wissen Sie, woher das kommt?«, fragte er, ohne den Kopf zu drehen. »Ich habe eine Woche im Koma gelegen. Wissen Sie, was das ist?« Der Nachbar sah ihm sprachlos nach. »Vielleicht habe ich den Rest meines Lebens Kopfschmerzen«, rief Gerson, kurz bevor er um die Ecke bog. Der Nachbar blieb noch einen Moment stehen, wo er stand. Seine Mütze drehte sich immer schneller zwischen seinen Fingern. Er räusperte sich, sah uns ein wenig verlegen an und sagte: »Tja, dann gehe ich wohl mal wieder.« Auch er verschwand um die Ecke des Hauses, nur viel schneller als Gerson.

    Jetzt, da niemand mehr da war und nichts mehr passierte, setzten wir uns wieder hin.
    »Das geht gar nicht gut«, sagte Anna.
    »Nein«, sagten wir.
    »Und das Schlimmste ist, dass ich jetzt gerade nicht weiß, mit wem ich mehr Mitleid habe. Mit Gerson oder dem Mann.« Sie sah uns ein wenig schuldbewusst an. »Ist das seltsam?«
    »Nein, überhaupt nicht«, sagten wir.

Gewöhnen
    »Jetzt aber keine Nachbarn mehr«, sagte Gerson. »Und auch keine Mitschüler oder wer auch immer. Ich will in Ruhe gelassen werden. Glaubt ihr vielleicht, ich finde das angenehm?«
    »Du findest es doch angenehm, dass wir hier sind, oder etwa nicht?«
    »Mjo«, sagte Gerson.
    »Ist das Ja

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