Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Birne sucht Helene

Birne sucht Helene

Titel: Birne sucht Helene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
Vom Netzwerk:
zurück. Irgendwie war Eli komisch. Sie schien mehr Macken als Karl Lagerfeld zu haben – und der schoss Fotoserien von Kuckucksuhren.
    »Wo ist denn der Dosenöffner?«
    »Hinter dir, rechts, unterstes Fach.«
    Eli zog es auf, lachte kurz und nett – wechselte dann aber wieder in Pavarottis Opernton. Konnten Frauen um die dreißig in den Stimmbruch geraten? »Du hast einen elektrischen Öffner für Dosen? Die kriegt man doch einfach so auf.«
    »Ja, klar, aber das ist manchmal eine elende Sauerei. Mit dem Teil wird der Deckel sauber und ohne scharfe Kanten abgeschnitten.«
    »Jetzt hör aber auf.« Sie stoppte. »’tschuldigung, erzähl weiter. Das interessiert mich sehr.«
    »Jetztnimmst du mich auf den Arm.«
    Wo war nur die Chemie hin, bei der ein Wort das andere gab und alles so unangestrengt wirkte? Die Frau neben ihm war wie eine unscharfe Kopie der Eli, die er kannte. Oder meinte, zu kennen. War es etwa ein Fehler gewesen, sie einzuladen? Der Salat war fertig, und die Sauce musste nur noch kurz in der Mikrowelle erwärmt werden. Dann servierte Paul. Die ersten Gabeln aßen sie schweigend.
    »Und? Schmeckt dir der Salat?«
    »Köstlich!« Da war wieder die echte Eli, die strahlte wie ein Sonnenaufgang auf einer polynesischen Insel. »Erzähl mir was über das Rezept.« Da war wieder die schlechte Kopie.
    Paul erzählte trotzdem, obwohl er viel lieber Eli zugehört hätte, von der er doch so wenig wusste. Alles hätte ihn interessiert. Welche Zahnpasta sie benutzte, auf welcher Autobahnspur sie fuhr, ob sie lieber Pepsi oder Coke trank, mit welchem Fuß sie aus dem Bett aufstand, wie viele Minuten ihr Frühstücksei kochen musste, und ob sie sich noch nach Heißluftballons am Himmel umdrehte.
    Freddy und R 2 -D 2 hatte Paul sicherheitshalber ins Schlafzimmer verfrachtet. Hoffentlich paarten sie sich nicht, denn ihr Nachwuchs würde sicher das pure Böse sein. Die Geierschildkatze aus der Mutanten-Hölle.
    »Ich kann dir das Rezept auch gerne mailen«, schloss Paul seine kulinarischen Ausführungen. »Aber jetzt will ich erst mal deinen Lebenslauf hören, von der Geburt an bis heute. Lass nichts aus.«
    »Da gibt es nicht viel. Vor allem nichts Interessantes. Erzähl du lieber.« Sie nahm ihren Teller und brachte ihn in die Küche.
    Warum wollte sie nichts von sich preisgeben? Hatte sie kein Vertrauen zu ihm? Was sollte das hier dann werden? Sie war ihm so nah wie nie, und doch wirkte sie weiter weg als je zuvor.
    Paul hätte den Abend am liebsten sofort abgebrochen.
    »Du liest ja Kontaktanzeigen«, kam es plötzlich von Eli. Sie hattedie neueste Ausgabe der Kölner Tageszeitung gefunden, in der Pauls Inserat abgedruckt war.
    Jetzt stand er auch noch als verzweifelter, beziehungssuchender Vollspacken da.
    Verheerender hätte der Abend nicht laufen können. Und er hatte keine Flasche Zhalgiris mehr, um die Situation zu retten.
    Doch da sagte Eli: »Die les ich auch immer gern. Vor allem die von dem einen Mann … warte, ist bestimmt wieder eine drin … hier! Birne sucht Helene!«
    Paul lief es eiskalt den Rücken herunter. Sie reichte ihm die Seite und zeigte auf seine Anzeige. Paul tat, als lese er sie zum ersten Mal. Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
    »Was meinst du, was das für einer ist?«, fragte Eli.
    »Ein Netter, da bin ich mir sicher.«
    »Ich mag, dass er so ehrlich ist. Ich wünsch ihm, dass er die große Liebe findet.«
    »Das wünsche ich ihm auch. Von ganzem Herzen. Hast du schon mal zurückgeschrieben?«
    »Sollte ich?«
    »Nein.« Paul nahm all seinen Mut zusammen. »Wäre mir lieber, du antwortest nicht darauf.«
    Eli fuhr sich wieder durch die Haare, stoppte abermals ab, schüttelte dann jedoch den Kopf und machte einfach weiter. Paul mochte, wie sie das tat, es sah so wunderbar unaffektiert aus.
    »Der Songtext, den er zitiert, klingt toll, aber ich kenn das Lied von Blumfeld gar nicht. Hast du es mal gehört?«
    »Ich hab’s sogar da.« Und Paul legte es auf. Klare Gitarrentöne erklangen, und Jochen Distelmeyers Klassensprecherstimme. Paul hatte das Gefühl, er singe nur für ihn und Eli.
    Sie hörten die ganze Zeit schweigend zu.
    »Das ist wunderschön«, sagte Eli danach.
    »Finde ich auch.«
    Sieredeten noch eine Weile über das Inserat und wie man die große Liebe fand, und dabei bemerkte Paul, dass sie eigentlich die ganze Zeit von sich selbst erzählten. Da war sie wieder – diese Chemie zwischen den beiden, die Paul von Anfang an gespürt hatte. Und mit jedem

Weitere Kostenlose Bücher