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Birne sucht Helene

Birne sucht Helene

Titel: Birne sucht Helene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Hals.
    »… tolle Frau«, fuhr Paul fort. »Ich musste sie sogar mehrmals küssen, um sie zu überzeugen.«
    »Ach Gott, du Armer. Hat es denn wenigstens funktioniert?«
    »Ich glaub, ich hab sie umgehauen.«
    »Dann müssen das aber richtig gute Küsse gewesen sein. Hast du davon vielleicht noch ein paar im Angebot? Und könnte ich vielleicht auch in den Genuss davon kommen?«
    »Nein, die sind leider gerade aus. Musste heute meiner Vermieterin noch ein paar geben, da ich im Rückstand bin.«
    »Bittööö!«
    »Ichschau mal, was sich machen lässt. Aber erst nach der Hauptspeise!«
    »Dann geh ich mal schnell für kleine Prinzessinnen.«
    Paul zeigte ihr den Weg und holte das Lamm aus dem Backofen. Es kam aus Neuseeland und hatte ein Vermögen gekostet. Er würde es nicht essen, er konnte es nicht essen. Schon beim Anfassen des Fleisches hatte er sich wie ein kaltblütiger Babymörder gefühlt. Er traute sich kaum mehr, Rainers Herde zu besuchen, weil die Schafe seine schändliche Tat sicher erahnen und ihn dann aus der Gemeinschaft ausstoßen würden. Er müsste gehen und sich eine neue Herde suchen. Aber es war die Nationalspeise Neuseelands, Elis Trauminsel. Sie würde Augen machen.
    Als Eli von der Toilette zurückkam, stand vor ihrem Platz ein Teller mit Fleisch.
    »Aus Neuseeland, extra für dich!« Paul strahlte. »Es ist sogar noch ein bisschen blutig innen, so wie es sein soll. Ganz zart das Lamm.«
    Eli kamen die Tränen.
    Wie konnte der Mann, der sie eben so unbeschreiblich gefühlvoll geküsst hatte, nur so ein mieses Schwein sein? Sie hatte ihm doch beim letzten Treffen gesagt, sogar ausdrücklich, dass sie Vegetarierin war. Und er servierte Babyschaf! Wahrscheinlich, um sie zu bekehren. Mit der Vorspeise wollte er sie noch in Sicherheit wiegen, und dann die Bombe platzen lassen. Und eben hatte er noch großspurig erzählt, er würde Schafe lieben – ja, klar, aber nur auf dem Teller! Er hatte sogar extra Fleisch aus ihrem Lieblingsland besorgt, um alles nur noch schlimmer zu machen.
    Und jetzt lächelte er sie an.
    »Das Gericht heißt ›Weinendes Lamm‹, weil während des Bratens der Sud der Keule auf das darunter liegende Gemüse tropft – oder eben poetischer: Das Lamm weint. Ist ganz, ganz frisch,habe ich heute erst im Delikatessenladen geholt. Kommt von glücklichen Schafen.«
    Aha, die Tour. Fleisch von glücklichen Tieren ist okay. Probier’s doch mal, ist gesund.
    »Ist glaube ich«, sagte Paul, »auch gesünder als normales.«
    Eli stieß einen Schrei aus.
    »Was ist denn? Geht’s dir gut?«
    »Ob es mir gut geht?! Ob es mir gut geht?!«
    Es klingelte an der Haustür.
    Paul zuckte zusammen. »Aber was hast du denn?«
    »Geh zur Tür, sonst zerreiß ich dich in der Luft!«
    »Aber …?«
    »Geh, Paul, wirklich!«
    Unerwarteter Besuch stand vor der Wohnungstür. Tine. Sie hatte etwas Rotes an, der Stoff spannte so eng über ihrem perfekten Körper, dass es ein Wunder war, wie die Rippen dem standhielten. Sie sah atemberaubend aus auf ihren hochhackigen Stiefeln. Ihre Wimpern kamen Paul heute etwas länger vor, ihre Augen etwas dunkler und ihre Lippen noch blutroter als sonst. Das mochte aber auch am Zhalgiris liegen. Der Homo Erectus in ihm schrie lauthals nach Paarung, doch Paul nahm sich eine große Keule und schlug dem Primitivling auf den Kopf. Und noch mal mit aller Kraft.
    »Tine, das ist gerade ganz schlecht.«
    »Na, das ist ja eine Begrüßung. Ich dachte, ich schau mal vorbei, ob alles gut läuft. Schick siehst du aus. Ist sie schon da?«
    »Du, gerade ist es wirklich schlecht.«
    »Ach, echt? Lass das mal die Tine machen. Ich habe schon viele Abende gerettet.«
    Sie brauste an ihm vorbei.
    Elischmiss das Lamm in den Mülleimer und griff sich ihre Jacke. Keinen Moment länger würde sie hierbleiben. Sie würde raus auf die Straße rennen und sich vor den nächsten Laster werfen, der hoffentlich mehrmals über sie fuhr. Er müsste halt ein paar Mal zurück setzen. Sie war so schrecklich enttäuscht, und es war umso schlimmer, weil der Moment davor so unglaublich schön gewesen war. Wo hatte dieser Mann nur so küssen gelernt? Sie hatte sich so … angekommen gefühlt.
    »Hallo, ich bin die Tine, eine ganz liebe Kollegin von Paul.«
    Wo kam denn jetzt dieses Ferrari-rote Geschoss her? War Paul etwa genauso ein Spinner wie Roman und lud seine Freunde als Jury zu den Dates? Aber dem Aussehen der Frau nach zu urteilen, sollte es wohl eher auf einen flotten Dreier hinauslaufen.

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