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Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Titel: Bis an das Ende der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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Dann kam der Ruf von Lynn in der Zentrale.
    Sheriff?
    Kommen, sagte er.
    Ned hat angerufen. Er sagt, es sieht so aus, als ob das Sullivan-Haus brennt.
    Brennt?
    Das hat er gesagt. Er sieht ein Feuer im Wald.
    Ach herrje, sagte Larry. Ich bin auf der alten 52, kurz hinter Mackey. Ich fahr sofort hin und seh mir die Sache an.
    Er ließ nochmals zehn Minuten verstreichen. Flammen leckten um die Bretter vor den Fenstern. Die Decke im Erdgeschoss fing Feuer. Lange Schatten geisterten durch die Bäume; der Wald erwachte zum Leben, taumelnd und tanzend. Etwas Lebendiges, Brennendes schoss aus der Haustür – ein Kaninchen? Es schlug wilde Haken auf dem Wendeplatz, bevor es Kurs auf Larry nahm. Einen Moment lang dachte er, es hätte sich unter seinen Wagen geflüchtet, und er legte die Hand an den Türgriff – aber was immer es war zickzackte hinüber zwischen die Bäume zu seiner Rechten. Er sah es in einem Gesträuch zur Ruhe kommen; Rauch stieg in dünnen Strähnen aus den Büschen auf.
    Zentrale?, sagte Larry.
    Kommen.
    Ich bin jetzt beim Sullivan-Haus. Der Kasten brennt lichterloh. Schickt gleich mal die Löschwagen los.
    Zwanzig Minuten später trafen zwei Feuerwehrautos ein, vorsichtig die Fahrspur entlangruckelnd. Die Männer stiegen aus, stellten sich neben Larry und betrachteten mit ihm das Haus, das mittlerweile vom Keller bis zum Dachfirst in Flammen stand. Sie manövrierten die Löschzüge an Larrys Streifenwagen vorbei und besprühten das Gras rund ums Haus und die umstehenden Bäume. Dann sahen sie alle zu, wie das Haus herunterbrannte und in sich zusammensackte, und keiner sagte viel.
    Larry ließ sie kurz vor Morgengrauen mit den Trümmern allein. Er fuhr heim, spülte sich notdürftig den Rauchgeruch aus den Haaren, und dann legte er sich neben Emily, die sich nicht regte. Eine ganze Weile lag er wach und versuchte sich davon zu überzeugen, dass er es wirklich getan hatte, und dann versuchte er sich davon zu überzeugen, dass es gar nicht passiert war.
    Als er endlich einschlief, sah er das brennende Haus, nur dass in seinem Traum noch Menschen darin waren: Jenny Sullivan in dem Fenster im Obergeschoss, die ihren jüngsten Sohn an sich drückte und nach Larry rief, nach ihm brüllte, während Larry in seinem Wagen saß und am Türgriff zerrte, unfähig, ihr auch nur zu antworten, ihr zu sagen, dass er eingesperrt war.

1985
     
    Patricia Pike hatte Sheriff Thompkins von Anfang an nicht sehr kooperativ gefunden. Und als sie jetzt mit ihm in seinem Streifenwagen durch leere Seitenstraßen in Richtung Sullivan-Haus fuhr, fragte sie sich langsam, ob das, was sie für Zugeknöpftheit gehalten hatte, nicht vielmehr Wut war. Vor einem Monat, am Telefon, war Thompkins leidlich höflich gewesen, aber seit sie heute Morgen zu ihm in sein kleines, vollgestelltes Büro gekommen war – selbst manche Hausmeister waren großzügiger untergebracht! -, war er finster, muffig, würdigte sie kaum eines Blicks.
    Sie kannte das bei Polizisten schon. Viele von ihnen hatten ihre Bücher gelesen, von denen zwei Sachverhalte zu Tage gebracht hatten, die der Polizei seinerzeit entgangen waren. Ihr zweites Buch, Der Wald steht schwarz und schweiget, hatte sogar zur Aufhebung eines Urteils geführt. Polizisten hassten es, Fehler nachgewiesen zu bekommen, selbst die besten unter ihnen – und wenn Thompkins’ Büro irgendwelche Rückschlüsse zuließ, war er nicht gerade eine Koryphäe auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung.
    Thompkins war groß und krumm, mit Fett an den Stellen, wo ehemals Muskeln gewesen sein mochten, einem grauen Polizistenschnurrbart und einer einzelnen dicken Speckfalte unterm Kinn. Er war erst vierzig, zwei Jahre jünger als sie, sah aber viel älter aus. Auf dem Hochzeitsphoto, das auf seinem Schreibtisch stand, hatte er die breitschultrige, stiernackige Statur eines Football-Stürmers. Auch keine große Überraschung: Etliche der Provinzsheriffs, mit denen sie zu tun bekam, hatten einmal Football gespielt. Seine Braut neben ihm war ein kleiner Schemen von einer Frau, dunkeläugig, übers ganze Gesicht lächelnd – wohl zum letzten Mal, vermutete Patricia.
    Patricia hatte Thompkins in seinem Büro ein paar Fragen gestellt; Smalltalk, um das Eis zu brechen. Sie hatte auch ein bisschen geflirtet; sie war attraktiv, und manchmal nutzte das. Aber Thompkins hatte auf alles gleich einsilbig geantwortet, mit der Beamtensprache, auf die Polizisten bei ihren Protokollen zurückgriffen. Das ging dem, ähm,

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