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Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Titel: Bis an das Ende der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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Lampen angebracht gewesen sein mochten. Hinter dem Sheriff führte eine Treppe hinauf in die Dunkelheit, rechts davon war eine Tür, wohl die Küchentür.
    Mist, sagte Thompkins.
    Was?
    Er hielt seine Lampe näher an die Wand, in dem Zimmer rechts von der Eingangsdiele. In der Wand war eine Mulde, ein schartiges, grob überspachteltes Loch. Jemand hatte daneben einen Pfeil gesprüht, der auf die Stelle zeigte, und darüber das Wort HIRN.
    Thompkins ging im Kreis, die Lampe in der ausgestreckten Hand. Er schaute auf den Boden, und sie folgte seinem Blick. Sie sah Zigarettenkippen, Bierdosen.
    Schüler, sagte Thompkins. Kommen von Abingdon her. Ich scheuch sie immer mal raus. Manchmal sind’s auch Erwachsene. Die müssen scheint’s unbedingt herfahren, es mit eigenen Augen sehen. Die Kinder sagen, hier spukt es.
    Das passiert bei sehr vielen von diesen Häusern, sagte Patricia.
    Mhmm, machte Thompkins.
    Sie photographierte die Zimmer, ihr Blitzlicht gleißend in der Düsternis.
    Ich nehme an, Sie möchten die Führung, sagte Thompkins.
    Ja, bitte. Sie legte ihm die Hand auf den Arm, und er sah darauf hinunter. So munter wie nur möglich fragte sie: Haben Sie etwas dagegen, wenn ich unser Gespräch mitschneide?
    Muss das sein? Thompkins löste den Blick von ihrer Hand.
    Dann kann ich Sie exakter zitieren.
    Hmm. Na gut.
    Patricia schob eine Kassette in ihr kleines Aufnahmegerät, nickte ihm dann zu.
    Thompkins hob seine Lampe hoch. Der Widerschein glänzte in seinen dunklen Augen. Sein Mund stand offen, ganz leicht nur, und als er ausatmete, stieg ein schmales Dampffähnchen vor der Lampe auf. Er sah verändert aus. Lebhafter, weniger traurig. Vielleicht, dachte Patricia, unterstellte sie ihm ja, was sie selber empfand: diesen Kitzel, wie Teenager ihn am Lagerfeuer spüren, bevor eine Gruselgeschichte erzählt wird. Sie sagte sich, dass hier echte Menschen gestorben waren, dass dies der Schauplatz einer schrecklichen Tragödie war – aber es half nichts. Ihre Bücher verkauften sich gut, weil sie sie gut schrieb, mit Hingabe, und sie schrieb sie so, weil sie eine Passion für verbotene Orte wie diesen hatte; eine Passion dafür, die Geheimnisse zu entdecken, die keiner preisgeben wollte. Dabei hätte sie schwören können, dass sich Sheriff Thompkins im tiefsten Herzen danach sehnte, sie ihr zu verraten. Geheimnisse waren zu groß, als dass die Menschen sie bewahren konnten – diese Erfahrung machte sie bei ihren Recherchen jedes Mal wieder. Geheimnisse verfolgten ihre eigenen Ziele.
    Patricia sah Thompkins an, bog ihr Lächeln in ein rasches Nicken um.
    Dann wollen wir mal, sagte der Sheriff. Hier entlang.
     
    Das ist die Küche.
    Wayne hat als Erstes auf Jenny geschossen, hier drin. Aber das war nicht der tödliche Schuss. Das sehen Sie jetzt nicht, wegen den Brettern, aber das Küchenfenster geht auf die Einfahrt hinaus, auf den Platz vor der Garage. Wayne hat durch das Fenster auf sie geschossen. Jenny hat zu ihm rausgeschaut, das wissen wir, weil die Kugel vorne zu ihrer rechten Schulter ein- und hinten wieder ausgetreten ist, und wir wissen, dass er draußen stand, weil die Scheibe zersplittert war und weil seine Fußstapfen noch im Schnee zu sehen waren, als wir ankamen – es ging kein Wind an diesem Abend. Waynes Auto stand vor der Garage. Es muss so abgelaufen sein, dass er zur Fahrertür ausgestiegen ist und hinter gegangen ist zum Kofferraum und den Deckel aufgemacht hat – vermutlich, weil da das Gewehr drin war; er hatte es am selben Abend gekauft, in einem Laden in Muncie. Dann ging er ums Auto herum zur Beifahrertür und muss da eine Zeitlang gestanden haben; der Schnee war ziemlich zertrampelt. Wir nehmen an, dass er das Gewehr geladen hat. Oder vielleicht hat er sich erst Mut zureden müssen. Ich weiß es nicht.
    Wir vermuten, dass er das Gewehr auf dem Autodach aufgelegt und von da aus geschossen hat. Bei der Außenlampe an der Garage war die Birne durchgebrannt, als wir kamen, das heißt, von drinnen, aus der erleuchteten Küche, konnte Jenny nicht sehen, was er da macht – oder höchstens ganz undeutlich. Ich weiß nicht, warum sie sich umgedreht und zu ihm herausgeschaut hat. Vielleicht hat er gehupt. Ich weiß auch nicht, ob er vorhatte, sie zu töten, oder ob er sie nur verwunden wollte, aber ich tippe eher, Zweiteres. Es waren keine sieben Meter von ihm bis zu ihr, nicht schwer zu treffen also, und die anderen Male an dem Abend hat er ziemlich gut gezielt. Wenn Sie hier runterschauen

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