Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Titel: Bis an das Ende der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
Vom Netzwerk:
Eintreffen am Tatort unmittelbar voraus. Immer wieder hatte er auf die Uhr geschaut, aber das verfing bei ihr nicht. Kinslow, Indiana, hatte gerade mal sechshundert Einwohner; da brauchte es schon mehr, um sie zu überzeugen, dass er ein vielbeschäftigter Mann war.
    Jetzt fuhr Thompkins sie auf nicht enden wollenden Schotterstraßen zum Sullivan-Wald, eine Hand am Steuer, während die andere über die Enden seines Schnurrbarts strich. Schließlich wurde es ihr zu dumm.
    Mache ich Sie nervös, Sheriff?
    Er öffnete die Augen etwas weiter und ruckte mit den Schultern, dann hustete er. Er sagte: Na ja, wenn ich ehrlich sein soll, mir ist nicht gerade wohl bei der Sache.
    Das kann ich mir gut vorstellen, sagte sie. Warum ihm nicht das Mitgefühl zeigen, auf das er so offensichtlich aus war?
    Wenn der Bürgermeister kein solcher Fan von Ihnen wäre, sagte er ihr, dann wäre ich jetzt nicht hier draußen.
    Sie lächelte ihm zu, ganz verhalten nur. Sie sagte: Ich habe mit Waynes Eltern gesprochen, ich weiß, dass Sie Wayne und Jenny nahestanden. Das hier ist sicher nicht leicht für Sie.
    Nein, Ma’am. Das ist es nicht.
    Thompkins bog auf eine schmalere, asphaltierte Straße ab – nichts als Felder nun zu beiden Seiten, leer, mit abgeknickten Maisstängeln bestoppelt, und rechteckige Waldstücke, so monochrom, dass sie wie Bleistiftzeichnungen wirkten.
    Patricia fragte: Sie waren alle zusammen auf der High School, nicht wahr?
    Abington, Abschlussjahrgang’64. Jenny war eine Klasse unter mir und Wayne.
    Und waren Sie in der Schule schon befreundet?
    Da hab ich Jenny kennengelernt. Wayne und ich kannten uns schon von klein auf. Unsere Mütter haben zusammen an der Grundschule unterrichtet.
    Thompkins warf einen Blick zu Patricia hinüber. Er sagte: Das wissen Sie doch alles längst. Kleines Zeugen-Auftau-Manöver, hm?
    Diesmal war ihr Lächeln aufrichtig dankbar. Ganz so dumpf war er also doch nicht. Sie lassen mir keine Wahl, sagte sie.
    Er seufzte – der Seufzer eines beleibten Mannes, müde und lang – und sagte: Ich habe nichts gegen Sie persönlich, Ms. Pike. Aber ich habe was gegen die Art von Büchern, die Sie schreiben, und ich habe was dagegen, hier raus kommen zu müssen.
    Ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen, wirklich. Ich weiß, dass es schwer für Sie ist.
    Warum dieser Fall?, wollte er wissen. Warum wir?
    Sie suchte nach den richtigen Worten, Worten, mit denen sie ihm nicht zu nahe trat.
    Tja, ich nehme an, der Fall hat mich ganz einfach angezogen. Meine Agentin schickt mir Zeitungsberichte über Fälle, Themen, von denen sie meint, sie kämen vielleicht als Stoff für mich in Frage. Die Morde waren so … brutal, und sie wurden am Weihnachtsabend begangen. Und weil sie auf dem Land passiert sind, sind sie auch nicht groß in den Nachrichten gekommen; die Menschen wissen nichts davon – jedenfalls nicht in den großen Städten. Und dann haftet dem Ganzen auch noch so etwas – ja, etwas Märchenhaftes an – das Häuschen mitten im tiefen Wald, wissen Sie?
    Mhmm, machte Thompkins.
    Plus natürlich die große Frage nach dem Warum. Es gibt einen bestimmten Typus von Fällen, die meine Spezialität sind – Verbrechen, hinter denen sich ein ungelöstes Rätsel verbirgt. Es fasziniert mich, dass Wayne keinen Abschiedsbrief hinterlassen hat. Sie sind der einzige Mensch, zu dem er irgendetwas gesagt hat, und selbst das -
    Er hat nicht viel gesagt.
    Nein. Ich weiß. Ich habe das Protokoll gelesen. Aber das ist meine Antwort, vermute ich: Es gibt einfach sehr viel, worüber sich schreiben lässt.
    Thompkins strich sich über den Schnurrbart und bog bei einem Stoppschild von dem Sträßchen ab.
    Zu ihrer Linken lag jetzt ein sehr großer Wald, deutlich grö ßer als die anderen Waldstücke in der Umgegend. Patricia hatte ihn am Horizont emporwachsen sehen wie eine Regenwolke, und nun, aus der Nähe, sah sie, dass er mindestens eine Meile lang und breit sein musste. Der Sheriff bremste, bog von der Straße weg und hielt vor einem niedrigen Metallgatter, das eine tiefgefurchte Fahrspur abriegelte: zwei leicht abschüssige Wagenrillen, die zwischen die kahlen Bäume führten. Ein BETRETEN-VERBOTEN-Schild hing in der Mitte des Gatters. Auf das Schild war geschossen worden, mehrmals; ein paar der Einschusslöcher waren noch nicht einmal rostig. Moment, sagte Thompkins und stieg aus. Er beugte sich über ein wuchtiges Vorhängeschloss und ließ das Gatter nach innen schwingen. Er stieg in den Wagen, fuhr hindurch, ohne

Weitere Kostenlose Bücher