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Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Titel: Bis an das Ende der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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herumtelefoniert. Wayne war mit seinen Raten weit im Rückstand. Wenn er nicht selbst bei der Bank gearbeitet hätte, wären sie das Haus losgewesen.
    Möglich. Larry nippte an seinem Kaffee. Aber die Hälfte aller Farmer hier sind bis über beide Ohren verschuldet, und keiner hat deshalb seine gesamte Familie niedergemetzelt.
    Patricia beobachtete ihn, während er das sagte. Thompkins’ breites Gesicht verriet nichts, aber er sah sie nicht an. Seine Ohren waren rosarot vor Kälte.
    Waynes Mutter, sagte sie, hat mir erzählt, sie könnte sich vorstellen, dass Jenny fremdging.
    Ja. Das habe ich auch gehört.
    Und ist etwas dran?
    Ehebruch ist kein Gesetzesverstoß. Also befasse ich mich nicht damit.
    Aber gehört haben Sie doch sicher etwas.
    Tja, Ms. Pike, darauf kann ich Ihnen wieder nur dieselbe Antwort geben. Seitensprünge gab’s hier auch schon, bevor ich im Amt war, aber niemand hat je seine Familie deswegen umgebracht.
    Thompkins schnallte sich an.
    Außerdem, sagte er, wenn Sie ein Mann wären, der mit Jenny Sullivan geschlafen hat, würden Sie es herumposaunen? Nein, würden Sie nicht. Also nein, ich weiß nichts Bestimmtes. Und um ehrlich zu sein, wenn ich etwas wüsste, würde ich es Ihnen nicht sagen.
    Warum?
    Ich hab Jenny gekannt, und sie war ein guter Mensch. Sie war meine Partnerin beim Abschlussball, Himmelherrgott. Ich war Trauzeuge bei ihrer und Waynes Hochzeit. Jenny war nicht hintenrum, und sie war nicht dumm. Wenn sie eine Affäre hatte, dann war das ihre Sache. Aber meine ist es nicht, und Ihre auch nicht.
    Es wäre ein Motiv, sagte Patricia leise.
    Ich habe die Leichen eigenhändig aus diesem Haus getragen, sagte Thompkins und legte den Rückwärtsgang ein. Ich habe meine Freunde hier rausgetragen. Ich habe ihnen die Finger an die Halsschlagader gelegt, um zu fühlen, ob sie nicht doch noch leben. Ich habe gesehen, was Wayne getan hat. Kein Grund der Welt ist gut genug für so was. Niemand kann ihm etwas angetan haben, das das rechtfertigen würde. Völlig egal, was es ist.
    Er wendete den Streifenwagen; die Bäume rauschten vorbei, und Patricia fasste ihren Kaffeebecher mit beiden Händen, um nichts zu verschütten. Sie hörte solche Reden nicht zum erstenmal. Einem Menschen konnte das Hirn aus dem Schädel quellen, und trotzdem fand sich immer irgendein Kleinstadtsheriff, der zu glauben schien, das arme Schwein habe noch eine Intimsphäre.
    Es gibt immer einen Grund, sagte sie.
    Thompkins grinste freudlos; der Streifenwagen ruckelte auf und ab.
    Ich bin sicher, Ihnen fällt was ein, sagte er.

25. DEZEMBER 1975
     
    Am Abend, kurz nach Einbruch der Dunkelheit, fuhr Larry noch einmal raus zum Sullivan-Haus. Er und die State Troopers waren schon vor Stunden am Tatort fertig geworden – zu ermitteln war schließlich kaum etwas gewesen, Wayne hatte mit seinem Anruf ja ein Geständnis abgelegt, aber Larry hatte seine Hilfssheriffs trotzdem angewiesen, Photos zu machen, jede nur mögliche Spur zu sichern. Und dann waren den ganzen Tag über Reporter mit ihren Kameras angerückt, und Einheimische hatten vorbeigeschaut, um zu gaffen oder zu fragen, ob sie irgendetwas tun könnten, deshalb hatte Larry beschlossen, eine Wache abzustellen. Und, offengesagt, er und die Männer brauchten etwas zu tun; besser das Haus bewachen als in der Stadt Rede und Antwort stehen.
    Als Larry vor dem Haus hielt, saß sein Hilfssheriff, Troy Bowen, in seinem Streifenwagen vor der Garage und las in einem Taschenbuch. Larry blendete auf, und Bowen stieg aus und kam zu Larrys Auto herübergeschlendert, die Hände in die Achselhöhlen geklemmt.
    Hallo Larry, sagte er. Was gibt’s?
    Nichts los heute Abend, sagte Larry – was der Wahrheit entsprach. Fahr ruhig, iss zu Abend. Ich halte die Stellung, bis Albie kommt.
    Der kommt aber doch erst um Mitternacht, sagte Bowen, aber die Dankbarkeit war ihm anzusehen.
    Ich kann genauso gut hier draußen sitzen. Ich bin eh zu keinem anderen Gedanken in der Lage.
    Ja, das dachte ich auch erst. Aber ich sag’s Ihnen ganz ehrlich, mir ist das hier zu gruslig. Ich lass Ihnen gerne den Vortritt.
    Als Bowens Streifenwagen fort war, stand Larry eine Zeitlang auf der Eingangsstufe, die Hände in den Taschen. Absperrband war vor der Tür gespannt, ein großes, windschiefes X; Bowen hatte es angebracht, schniefend und rotäugig, nachdem die Leichen abtransportiert worden waren. Es war sein erster Mordfall. Der Strom war noch nicht abgeschaltet, die kleine schmiedeeiserne Laterne über der

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