Bis an das Ende der Nacht (German Edition)
seine Zeiten als Kassierer in Videoläden, Plattenläden, Buchläden. Sein Abschluss war in Musik, verdammt noch mal; er hatte nichts gelernt.
Aber als sie ihm die Einzelheiten auseinandersetzte, sah er, wie stolz sie auf ihren Plan war: Danny würde einen Job bekommen, der ihm lag, mit freien Abenden für seine Gigs, und Brynn die Entlastung, die sie so dringend brauchte. Sogar die Band wollte sie für die Donnerstagabende anheuern.
( Wow, hatte er gesagt, überwältigt. Gern, Brynnie.
Worauf sie lächelte und ins Arbeitszimmer hinüberrief: Hey, Tom – Danny hat mir gerade erlaubt, ihn herumzukommandieren.
Und Tom hatte sich ins Wohnzimmer gelehnt und gesagt: Dann habt ihr ja beide genau das, was ihr wolltet. )
Brynn hatte immer die Frühschicht übernommen; Tom brachte Colin auf dem Weg zur Arbeit in die Krippe. Danny schloss dann abends zu. Wenn Kim auftauchte – falls sie sich noch irgendwann zum Auftauchen bequemte -, musste er sie mit einem Schild zu True Brew rüberschicken. Der Laden musste erst mal geschlossen bleiben – wie lang? Eine Woche? Er und Brynn waren die alleinigen Geschäftsführer. Danny würde eins von den Mädels befördern müssen. Aber wer übernahm den Laden auf lange Sicht? Vielleicht jemand aus Brynns Familie -
Brynns Familie. Toms Familie. Was für ein Vollidiot er war!
Die Polizei hatte Dannys Nummer in Toms Brieftasche gefunden und ihn ins Leichenschauhaus bestellt, nachdem er ihnen gesagt hatte, dass die Angehörigen alle auswärts lebten. In gewissem Sinne bin ich wohl ein Angehöriger, hatte er gesagt. Jetzt musste er die echten Angehörigen verständigen: Brynns Mutter, die in Colorado Springs Brynns Vater pflegte – er hatte vor zwei Jahren einen schweren Schlaganfall erlitten. Und Toms Eltern, beide Missionare in Sierra Leone. Er wusste nicht einmal, wie er sie kontaktieren sollte. Selbst Tom sprach nur ein paarmal im Jahr mit ihnen. Und dann gab es Brynns Schwester in Pittsburgh und Toms Bruder Walt in Denver …
Dannys Herz schlug zu schnell. Er trank einen Schluck Whiskey. Er würde die Anrufe am Morgen machen. Vorher konnte ohnehin niemand etwas tun. Und er war nicht in der Verfassung zu telefonieren, noch eine ganze Weile nicht.
Sie würden alle nach Columbus zur Beerdigung kommen – Gott, die Beerdigung! Wenigstens darum würde sich jemand anderes kümmern. Er versuchte diese ganzen Leute vor sich zu sehen, alle weinend. Sich selbst, wie er ihnen eröffnete, dass er jetzt Colins Vormund war. Sich selbst, wie er ihnen die wundertätigen Papiere zeigte, die in Toms Arbeitszimmer warteten. Und dann hundert verschiedene Gesichter, eins besorgter als das andere.
Vielleicht konnte er einfach mit dem Kleinen daheimbleiben. Einen Dreijährigen nahm man ja wohl nicht zur Beerdigung seiner Eltern mit, oder?
Seine eigenen Eltern sollte er auch anrufen. Seine Mutter würde herkommen und so lange bleiben, wie er es wollte, sie würde ihm Ratschläge geben. Und Walt genauso. Er hatte eine kleine Tochter, ein bisschen älter als Colin. Vielleicht konnte er sie mitbringen, dann hätte Colin für eine Weile jemanden zum Spielen. Walt war ein anständiger Kerl. Er würde tun, was er konnte.
Alle würden sie ihm helfen. Ein kleines Kind – niemand würde Colin den Rücken kehren.
Auch Kim nicht. Oder?
In Wahrheit hatte Danny keine Ahnung, was Kim zu alledem sagen würde. Es war nicht ihre Art, die Dinge rational anzugehen, und Krisen schon gar nicht. Sie war erst vierundzwanzig, Himmelherrgott; sie hatte mindestens so viele Jobs hingeschmissen wie er, nur in zehn Jahren weniger. Vor einem Monat erst hatte er ihr tausend Dollar geliehen, damit sie ihre Kreditkartenschulden abbezahlen konnte. Er versuchte sie sich vorzustellen, wie sie Colin auf ihrer Hüfte hüpfen ließ, so wie Brynn. Selbst in seiner Phantasie sah sie entsetzt aus.
Er sah wieder auf die Uhr. Schon eine Dreiviertelstunde, seit sie aufgelegt hatten. Sein Hirn wollte nicht aufhören zu rasen – Kim, wie sie einen Liebhaber anrief. Kim, wie sie in Richtung Alaska düste, so schnell ihr kleiner Mazda es zuließ. Kim, wie sie auf dem Mittelstreifen der I-270 verblutete.
Er musste an etwas anderes denken. Schluss jetzt mit dem Rumgeschlunze, Zeit für die Schatulle.
Das Arbeitszimmer ging vom selben Flur ab wie Colins Zimmer. Danny blieb an der Tür stehen und lauschte; Colins kleine, pfeifende Atemzüge waren durch den Spalt gerade eben hörbar. Danny hatte noch seine Schuhe an; jetzt zog er sie aus und
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