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Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Titel: Bis an das Ende der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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verschwindend. Bryan hatte die Lippen zusammengepresst. Es schnitt ihr ins Herz – aber das war nicht das Gleiche, wie ihn zu lieben, oder? Sollte sie mit ihm schlafen oder nicht, wenn sie ins Chalet zurückkamen? Und was würde das über sie aussagen – wenn sie mit ihm schlief – oder nicht mit ihm schlief?
    Auf dem Grat brachte der Sturm den Jeep ins Schaukeln; die Hinterräder schlingerten ein bisschen. Die Flocken schienen aus dem Dunkel an der Windschutzscheibe hochzuspringen. Und dann, als er vor einer Haarnadelkurve abbremste, sagte Bryan: Scheiße. Ach du Scheiße.
    Was ist?, fragte sie. Jetzt würde er sagen, dass es aus war zwischen ihnen; sie wusste es, stählte sich für die Worte.
    Bryan fuhr an den Fahrbahnrand. Das andere Auto, sagte er. Ich bin in seiner Spur gefahren. Schau.
    Vor dem Scheinwerferkegel des Cherokee machte Dana mit Mühe die Spuren aus, die sich vor der Kehre im Schnee abzeichneten. Sie führten geradeaus – zu gerade. Und sie begriff: Der Wagen hatte die Kurve nicht genommen. Vor ihnen, an der Böschung, klaffte ein Loch in der Leitplanke und darüber, gerade noch zu sehen, eine schwarze Öffnung, wo die Kiefernzweige von Schnee freigeschüttelt worden waren.
    Dann fauchte der Wind heftiger, und die ganze Straße verschwand in weißem Gestöber. Auch Bryan hätte diese Kurve übersehen können.
    Der Cherokee rollte aus, kam schräg in einer Schneewehe zu stehen. Ruf die 911 an, sagte Bryan und drückte ihr das Autotelefon in die Hand. Dann stieß er seine Tür auf. Dana wählte, während er in den Schnee hinausstolperte. Sie gab der Frau in der Zentrale durch, wo sie waren.
    Wir schicken wen hoch, sagte die Frau. Gibt es Verletzte?
    Ich weiß es nicht. Mein Freund versucht gerade, zu dem Auto durchzukommen.
    Bryan warf einen Blick über die Hangkante – und fuhr zurück, drehte sich zu Dana um.
    Dana stieg aus und kämpfte sich in seiner Spur zur Kante vor. Die Temperatur war um mindestens fünf Grad gefallen, der Schnee peitschte ihr ins Gesicht wie wehender Sand. Aber ein Geräusch konnte Dana durch den Wind doch ausmachen: ein Schreien – die Schreie einer Frau – rau und gellend.
    In der Highschool hatte Dana als Bademeisterin gejobbt. Sie versuchte sich auf die Erste-Hilfe-Ausbildung zu besinnen, aber sie erinnerte sich an nichts – nur an das beklommene Gefühl, das sie bei der Arbeit immer gehabt hatte. Was würde sie tun, wenn tatsächlich jemand Hilfe brauchte? Wenn sich jemand da unten im Wasser plötzlich nicht mehr bewegte? Wenn jemand zu schreien anfing? Alles wahrhaft Entsetzliche, das Dana in ihrem Leben gesehen hatte, hatte sich im Fernsehen abgespielt. Sie blieb stehen, im Schnee. Jetzt war es so weit; es gab keinen Ausweg. So schrie kein Mensch, der nicht Höllenqualen ausstand. Das hier war blutiger Ernst.
    Schnell!, rief Bryan und verschwand hinter der Kante.
    Der Hang fiel steil ab; Dana wusste von der Herfahrt noch, dass es sicher hundert Meter in die Tiefe ging, hinunter zu einem sich windenden Flussbett. Aber in dem Schnee und der Dunkelheit sah sie fast nichts – außer den Lichtern des Unfallautos, die noch brannten, vielleicht zwanzig Meter hangabwärts. Die Bäume standen zur Straße hin spärlich und nach unten zu immer dichter. Der Schnee auf dem Abhang war unberührt. Der Wagen musste durch die Luft geflogen sein – musste über die Hangkante gesegelt und dann gegen die Bäume geprallt sein. Jetzt lag er auf dem Dach, vor drei Kiefernstämmen, die dicht beisammen wuchsen wie eine Wand.
    Bryan schlitterte keine zehn Meter vor ihr den Berg hinab, Dana folgte in der Spur, die er pflügte. Abseits der Straße heulte der Wind nicht ganz so laut. Dafür waren die Schreie deutlicher zu hören. Dana meinte durch das Seitenfenster des Wagens die Lichter am Armaturenbrett zu sehen. Sie roch Benzin, Auspuffgase – klar herausgehoben in der sauberen, kalten Luft.
    Bryan rutschte das steilste Stück auf der Hüfte hinunter, dann war er an dem Wrack angelangt. Dana stolperte hinter ihm her, schneller jetzt, mit bis zum Hals klopfenden Herzen; Schnee drang ihr unter die Kleider, bis auf die Haut. Der Unterboden des Wagens – eine Limousine – zischte. Schneebrocken fielen von den Zweigen darauf herab, fingen zu brutzeln an, dampften. Aus der Nähe war der Benzingeruch schwer und feucht, fast wie etwas, das sich in einem Klumpen ausspucken ließ.
    Das Beifahrerfenster war der Hangseite zugewandt und zerbrochen; von dorther kamen die Schreie. Bryan kniete

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