Bis an das Ende der Nacht (German Edition)
sich hin und spähte hinein. Der Wind fuhr ihm in die Haare, zauste sie zu Büscheln. Und dann – gerade, als Bryan Hallo? rief – fing der Wagen Feuer.
Wie Blätter einer sich öffnenden Blüte leckten die Flämmchen aus dem Heck hervor, schwarz, blau und orangerot. Dana stand wie angewurzelt – gebannt von dem Farbenspiel, davon, wie ihr ganzes Körperinneres mit den Flammen mitzuschwanken schien. Einen Moment lang tat die Wärme wohl. Aber dann loderte das Feuer auf, dass es ihr in den Augen schmerzte, kroch in Schlangenlinien über den Bauch des Wagens, auf die Insassen zu. Und auf Bryan.
Die Schreie der Frau wurden noch gellender. Bryan beschirmte seine Augen, richtete sich in die Hocke auf und stieß einen tiefen, unartikulierten Laut aus, wie jemand, der jäh aus dem Schlaf gerissen wird. Die Flammen flackerten keinen halben Meter von seinem Kopf entfernt. An den Baumstämmen züngelten jetzt Feuerstricke wie glühende Lianen. Dana wich zurück, machte ein paar Seitwärtsschritte den Hang hinauf. Die Haut auf ihrem Gesicht spannte. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Sie sah Bryan als Silhouette neben dem Auto, mit hochgereckten Armen hin und her schaukelnd, und nun war das Feuer auch zu hören, trotz Sturmgebraus, ein vertrautes Knattern und Knistern, und all die Bäume ringsum gewannen an Kontur und an Schatten, und nichts stand mehr still …
… und Bryan beugte sich vor. Nein, wollte Dana schreien, aber es ging nicht. Er ließ sich auf alle viere nieder und kroch durch das schmale zersplitterte Fenster, bis nur noch seine Beine zu sehen waren.
Sie hätte nach vorn stürzen müssen. Sie erinnerte sich genau, dass sie es wollte – nicht um die Frau zu retten, sondern um Bryan zu retten, um seine Beine zu packen und ihn dort herauszuziehen. Er würde umkommen, sie wusste es. Sie stand da und sah zu, wie ein Mensch umkam. Und das zu begreifen war furchtbar – in ihrem ganzen Leben hatte sie keine solche Angst gehabt. Die Bäume und die Flammen wuchsen hoch und höher. Sie spürte ihren Körper nicht mehr – sie schwebte irgendwo zwischen sich und Bryan, irgendwo in der Luft.
Bryans Knie zuckten, bohrten sich in den Schnee. Das Wageninnere brannte jetzt – sie sah den Widerschein auf dem Armaturenbrett hinter Bryans Umriss. Die Schreie gellten, gellten; Bryan grunzte, rief dann: Ziehen! Fester ziehen! Fester! Die Bäume lohten, die Zweige knackten – unter dem Schnee war das Holz nach der Dürre des Sommers noch immer trocken wie Zunder. Funken regneten in kleinen Feuerwerksgarben auf das Auto hinab.
Und dann stieß Bryan sich heraus. Er qualmte; seine Arme qualmten. Er duckte sich, als die Flammen über seinen Kopf weg unter den vorderen Kotflügel leckten. Dann kniete er sich hin und langte wieder ins Auto und zog die Frau heraus. Langsam, so langsam.
Die Frau brannte. Sie trug einen Skianorak, und der Skianorak stand in Flammen. Ihre Arme schlugen nach dem Fensterrahmen, nach Bryan. Bryan ruckte an ihr, und sie kam frei. Ihre Beine schleiften nutzlos am Boden. Sie brüllte wie ein Tier. Bryan zerrte sie weiter, das Gesicht von der brennenden Frau weggebogen. Über seine Backenknochen flackerte ein grausiges Gelb.
Das Feuer sprang auf Bryans Jacke über. Ein letzter Ruck, dann schlang er beide Arme um die Frau und wälzte sich mit ihr in den Tiefschnee.
Dana!, schrie er, seine Stimme geborsten, ein Krächzen.
Und das brachte sie in Bewegung. Die Versteinerung löste sich. Bryan lebte.
Quer über den Hang strauchelte sie zu ihm hin, warf Händevoll Schnee auf seinen Rücken, seine Arme. Er versuchte sich die Jacke vom Leib zu reißen, die rauchte, loderte. Dana packte den einen Ärmel und zog. Ein neuer Geruch kam jetzt aus dem Auto – wie nach gebratenem Fleisch. Jemand war noch im Wagen, jemand verbrannte, starb. Von Bryan ging derselbe Geruch aus, und von der Frau auch. Teile von Bryans Jacke waren geschmolzen und klebten in Fetzen an seinem Arm und der Schulter. Rauch stieg aus seinem Haar. Dana spürte einen sengenden Schmerz an ihrem eigenen Unterarm, an der Stelle, wo Bryans Jacke sich darum gewickelt hatte. Sie stieß den Arm tief in den Schnee, bis sie die Kälte in den Schmerz einsickern fühlte.
Die Frau hatte aufgehört zu schreien. Dana sah sie an, obwohl sie sehr viel lieber nicht hingeschaut hätte. Ihre Haare waren blond und blutverklebt und auf einer Seite bis zum Schädel verkohlt. Ihr Gesicht sah furchtbar aus, rußschwarz mit rostbraunen Schmierern dazwischen.
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