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Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Titel: Bis an das Ende der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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den ächzenden Pick-up die Einfahrt hinunter. Das Gefälle ist gerade stark genug, um ihn sanft am Rollen zu halten, hinab in die Versenkung, bis die Bremslichter rot aus dem Schatten glühen.
    Ehe sie losgehen, stapft Brad um die Hütte herum. Er rüttelt an den Türen, aber sie sind natürlich abgeschlossen. Er schaut sich um, lauscht; die einzigen Geräusche der Wind, der Wald.
    Brad?, sagt Mel.
    Vielleicht haben die hier irgendwo Benzin versteckt, sagt er. Oder irgendwelche Kleider.
    Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist -
    Verdammt, sagt er, hast du eine bessere?
    Sie wendet sich ab, und er ist sofort voller Reue. Das hier ist schließlich nicht ihre Schuld, nichts davon ist ihre Schuld; er ist ganz einfach mal wieder ein Arschloch. Genau diese Sachen hat ihm schon der Schulpsychologe immer gepredigt. Er wird sich auf dem Rückweg entschuldigen. Er wird ihr heute Abend die Schultern massieren, bis sie eingeschlafen ist.
    Er hebelt einen Stein aus dem Boden, schlägt damit das Fenster neben der Hintertür ein und langt hinein, um den Riegel aufzuziehen.
    Sie finden kein Benzin und auch kein Propan, aber damit hat er auch nicht gerechnet; diese Hütte ist genauso eine leere Hülse wie ihre – gut, sie hat einen elektrischen Heizlüfter, und sie hat Steckdosen, aber der Strom ist abgestellt. In einem Küchenschrank entdeckt Mel sechs Thunfischdosen – offenbar ein begnadeter Fischer, sagt sie, und er ist heilfroh über den kleinen Witz – und eine unangebrochene Packung Kräcker.
    Eine Wollmütze hängt an einem Haken neben der Vordertür, daneben ein Paar Gartenhandschuhe, erdverkrustet. Brad nimmt beides an sich. Ehe sie ins Freie treten, stülpt er Mel die Mütze über die Ohren.
    Sie schaut zu ihm hoch, die Augen groß und dunkel. Wenn ihm doch nur etwas einfiele, um die Sorge daraus zu vertreiben.
    Er legt ihr die Hände auf die Schultern und lächelt so lange, bis Mel zurücklächelt.
    Siehst du?, sagt er. Schon viel besser.

IV.
     
    Mel wohnte drei Stationen mit der L-Bahn vom Diner entfernt, in einem großen zweistöckigen Haus nördlich von DePaul, das mehr oder minder abbruchreif aussah. Ihre fünf Mitbewohner bewohnten die Schlafzimmer im Obergeschoss. Mel hatte ein Eckzimmer im Souterrain, mit einem eigenen Eingang seitlich am Haus.
    Ihr Zimmer war ein Schlachtfeld. Wüste Kleiderhaufen auf dem nackten Betonboden. Der Papierkorb überquellend von leeren Cola-Light- und Bierdosen. Ein schmales, ungemachtes Bett. Ein kleiner Schreibtisch, völlig begraben unter Bücherund Papierstapeln, dazwischen ein Computer mit einem Waschbären als Bildschirmschoner. Eine niedrige Kommode, bei der die Hälfte der Schubladen herausgezogen war.
    Trotz Frühsommer war die Luft feucht, kellerklamm.
    Brr, sagte Mel. Komm her.
    Mel küsste genau, wie sie auch lächelte – mit all ihrer Energie, unter Einsatz ihres ganzen Körpers. Sie drängte ihre Schenkel an seine, umfasste mit ihren langen Fingern seine Schläfen. Zwischendurch biss sie ihn auch in die Lippen. Nach ein paar Minuten zog sie ihn aufs Bett hinunter.
    Er zupfte an ihrem Hemd. Ich will dich anschauen, sagte er.
    Mel küsste ihn aufs Kinn. Da wirst du Sachen sehen …, sagte sie.
    Das verbuchte er als weitere Mel-Verrücktheit – was denn bitte schön sehen? Visionen aus dem Henkelkreuz an ihrer Halskette? Er zog ihr das enge, langärmlige Hemd vom Leib, erregt vom Anblick von Mels weißem Bauch, dem Glitzern eines roten Steins an dem Piercing in ihrem Nabel. Den großen Brustwarzen auf ihren winzigkleinen Brüsten. Er hob Mel an den Hüften hoch und küsste sie zwischen die Brüste und bettete sie dann wieder auf die Matratze – immerzu darauf wartend, dass der Funke übersprang, dass sie an seinen Kleidern zu zerren anfing. Aber ihr Gesicht war ganz ruhig, fast weggetreten: die Lider halbgeschlossen, die Lippen zu einem kleinen Lächeln gebogen. Die Arme schlaff über den Kopf geworfen, Handgelenke über Kreuz.
    Er streifte mit den Lippen über ihren Hals, ihre Schultern. Er nahm einen ihrer Arme und küsste sich an ihm entlang bis zum Handgelenk – wo er die lange, dicke Narbe sah, die sich über die Innenseite ihres Unterarms zog. Und die zweite, kleinere darunter, wie ein Schatten der ersten.
    Hey, sagte er.
    Mel lächelte auf diese schläfrige Art. Sag ich doch.
    Er hob ihren anderen Arm auf, der ähnliche Spuren aufwies, nur dass hier die Narbe kürzer war, stärker gezackt. Mel fuhr sie mit der Fingerspitze nach. Den hab ich als zweiten

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