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Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Titel: Bis an das Ende der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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orangerotes Flackern. Sonst ersticken wir.
    Mel schüttelt den Kopf, legt ihm die Hand auf den Arm. Warte noch, sagt sie.
    Sie sieht ihn lange Zeit einfach an. Dann umarmt sie ihn, bringt ihren Mund an sein Ohr.
    Sie sagt: Ich weiß nicht, vielleicht – vielleicht wär das eh das Beste.
    Einen Moment lang denkt er, er hat sich vielleicht verhört. Seine Augen brennen, seine Kehle schnürt sich zusammen. Sein Atem geht in immer rascheren Stößen.
    Sie sagt: Es würde schneller gehen.
    Spinnst du jetzt völlig!
    Brad springt torkelnd auf und packt das Brett an seinem unverbrannten Ende, läuft damit zur Tür und hinaus in die Kälte und Dunkelheit, in den tiefen Pulverschnee auf der Veranda. Er rammt das feurige Ende des Bretts in den Schnee und sieht es sprühen, sieht die Schneedecke zischend einsacken.
    Er stolpert wieder nach drinnen – seine Füße in den Stiefeln fühlen sich wie Betonklötze an -, wild mit den Händen fuchtelnd, um den Rauch von seinem Gesicht zu vertreiben. Die Taschenlampe ist noch an, und ihr kleiner Lichtkreis zeigt ihm Mel auf der Matratze, auf der Seite liegend, schluchzend, die Fäuste unters Kinn gestemmt. Brad kriecht zu ihr herüber, auf allen vieren, weil unten am Boden mehr Luft ist. Er nimmt die Taschenlampe und leuchtet zur Decke hoch, unter der eine dichte Qualmwolke hängt, mit Strudeln hier und da, wo Löcher im Dach oder in den Wänden den Wind hereinlassen.
    Deck dich zu, befiehlt er ihr mit klappernden Zähnen.
    Sie wimmert.
    Er kann sich nicht beherrschen: Er tritt so lange gegen die Matratze, bis Mel zu ihm hochschaut. Er hustet und reibt sich die Augen und versucht dabei, den Lichtstrahl auf sie gerichtet zu halten.
    Deck dich zu, hab ich gesagt. Ich muss den Rauch hier rauskriegen.
    Mel zieht sich die Wolldecke über den Kopf. Brad öffnet die Tür wieder und schwenkt dann die Steppdecke, um den Rauch herauszuwedeln. Die Wolke wird ein klein wenig lichter; er wedelt weiter, bis seine Hände taub werden. Dann baut er das Zelt wieder auf, über Mel. Er krabbelt hinein und leuchtet sie an.
    Entschuldige, sagt sie und dreht das Gesicht von ihm weg.
    Was sollte der Scheiß?
    Wenn wir sterben müssen, sagt sie, dann will ich nicht, dass du wütend auf mich bist.
    227
    Mel, wir -
    Wir sterben doch nicht, will er eigentlich sagen. Will sie schütteln und sie anschreien, dass sie nicht aufgeben darf, dass sie keine Chance haben, wenn sie es nicht wenigstens versucht. Aber dann sickert es ein: Das Feuer war seine letzte Idee. Sie können nicht mehr heizen. Mel hat Recht; sie haben wohl nicht mehr lange.
    Brad? Ich dachte doch nur -
    Ich weiß, sagt er. Er streckt ihr die Hand hin. Ich – ich bin bloß noch nicht soweit.
    In seiner aufgerauhten Kehle klumpt etwas, als er das sagt. Mel ergreift seine Finger – ihre sind so eisig, dass er Mühe hat, nicht zurückzuzucken.
    Ich will einfach noch nicht aufgeben, sagt er.
    Sie setzt sich auf und schlingt die Arme um ihn.
    Wir können nichts mehr tun, sagt sie.
    Sie hat Recht, denkt Brad, und gleichzeitig hasst er sie für den vernünftigen Ton, in dem sie es sagt. Als wäre das hier eine Debatte, bei der sie gewonnen hat. Aber trotz allem vergräbt er sein Gesicht in ihrem Haar. Und obwohl ihrer beider Haut ganz und gar kalt ist, spürt er nach einer Weile einen Anflug von Hitze zwischen ihnen, einen klitzekleinen Einschluss irgendwo in Bauchnähe. Wie lange kann es vorhalten?
    Nicht loslassen, sagt sie.
    Es ist meine Schuld, sagt er.
    Nein. Sie wispert es, streicht ihm mit beiden Händen durchs Haar. Nein. Du konntest das doch nicht wissen.
    Er weint jetzt, schluchzt, wie er im Leben noch nicht geschluchzt hat – nicht, als seine Mutter sich von ihm losgesagt hat, nicht nach den Prügeln im Knast. Er kann es nicht zurückhalten, das, was ihm da aus der Kehle kommt, Laute, die so groß und so kantig sind, dass es weh tut, sie herauszulassen. Nein, stößt er hervor, immer wieder.
    Und denkt dabei: Es ist nicht fair.
    Mel weint auch – aber leiser, weicher. Ist ja gut, versichert sie ihm. Wenigstens sind wir zusammen.
    Er fängt gerade an, sich zu beruhigen, als der Strahl der Taschenlampe unsteter wird, matter.
    Mel sitzt da und gurrt ihm ins Ohr, flüstert seinen Namen, und als er sagt: Das Licht geht aus, muss sie tatsächlich lachen.
    Wenn schon, denn schon, sagt sie, und der Strahl flackert und verlischt.
    Er fragt sich, ob er sie wohl zum letzten Mal gesehen hat. In der Finsternis versucht er, sich ihr Gesicht vor Augen zu

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