Bis an das Ende der Nacht (German Edition)
wär doch stark, oder? Einen Schuppen zu haben, wo alle tanzen können und gute Laune kriegen und wen Nettes kennenlernen.
Dann erzählte er ihr – und es überraschte ihn, wie schnell, wie nervös die Worte herauskamen -, dass er daran dachte, aus Chicago wegzugehen. Dass er, wenn seine Bewährungszeit zu Ende war, vielleicht nach Miami wollte, wo die Club-Szene so phantastisch war.
Mel hörte zu und lächelte mit geschlossenen Lippen, hakte aber ausnahmsweise nicht nach.
Dann, nach zwei Monaten, rief Mel eines Abends an und sagte: Brad, Brad, du musst sofort herkommen. Er rannte Hals über Kopf zur L-Bahn, weil er dachte, dass etwas passiert war. Aber als er dann bei ihr klopfte, öffnete sie mit nichts als einem Bademantel am Leib, in der Hand eine Flasche Wein. Sie sind alle weg, sagte sie mit einem Kopfnicken zur Zimmerdecke. Wir sind allein!
Und so aßen sie ihr Abendessen oben am Küchentisch und tranken den Wein aus der Flasche und wälzten sich auf dem Wohnzimmerboden, und danach trödelten sie nackt herum und sahen auf dem uralten Schwarzweißfernseher unten in Mels Zimmer die David-Letterman-Show.
Und da fragte sie plötzlich: Hast du eigentlich schon mal überlegt, was du jetzt dann machen willst?
Wie, machen?
Wegen Lou. Wegen einer Wohnung.
Lou grummelte in letzter Zeit immer mal wieder was davon, dass Brad ausziehen sollte. Brad schluckte, nicht recht bereit, über etwas so Zweitrangiges nachzudenken – nicht jetzt.
Weiß nicht, sagte er. Das ist nur Gerede bei Lou, da kommt nichts bei raus.
Kann ich dich dann was fragen?
Mhmm.
Ich hab nachgedacht, sagte sie und nahm seine Hand und hielt sie vor ihr Gesicht und knetete seine Handfläche, bis alle seine Finger gespreizt waren. Ist doch schön, so alleine. Oder?
Sehr.
Tja. Dann … vielleicht sollten wir zusammen was suchen.
Jetzt wusste er, warum sie es so eilig gehabt hatte, ihn betrunken zu machen.
Sag nicht nein, sagte sie.
Mel, ich hab noch nie mit irgendwem zusammengewohnt. Keinem Mädchen, meine ich.
Ich seh’s dir doch an, sagte sie. Du willst nicht.
Das machte ihn wütend. So stimmte das nicht. Aber … ganz falsch war es auch nicht. Der Gedanke war ihm keine Sekunde lang gekommen.
Brad lag sehr still, sich Mels warmen Körpers an seinem ganz anders bewusst als noch vor einer Minute. Bei jeder anderen Frau, mit der er zusammengewesen war, hätte er gesagt: Nein. Kommt nicht in die Tüte. Er brauchte seine Privatsphäre, seinen ganz privaten Saustall. Da gab es nichts, da war er eisern. Gerade jetzt … in der Sekunde, in der seine Bewährungsfrist ablief, würde er abdüsen nach Miami, da blieb hier nichts von ihm zurück als eine Comic-Strip-Staubwolke. Und Mel hatte mindestens noch ein Jahr an der Uni vor sich.
Doch dann wurde ihm klar: Er hatte schon seit Wochen nicht mehr an Miami gedacht, nicht ernsthaft. Er hatte die Worte gesagt, aber keine Bilder dazu gesehen. Seit er mit Mel ins Bett ging, dachte er fast nur noch an Mel, nicht an Strände und Clubs und die Horden betrunkener College-Kids, die jedes Frühjahr einfielen wie die Wildgänse.
Wovor zum Henker hatte er dann Angst?
Sie sagte: Eine kleine Wohnung. Nur wir beide.
Wir kennen uns doch erst ein paar Wochen, sagte er.
Zwei Monate, genau gesagt. In ihre Stimme schlich sich schon ein bisschen Traurigkeit; es war ihm furchtbar, dieses kleine Beben – der Gedanke, dass er daran schuld war.
Mel …
Es ist nur … du machst mich glücklich. Und mich hat noch nie jemand glücklich gemacht. Nicht so. Du hast mein ganzes Leben verändert.
Und was sie da sagte, genau das war es doch, genau das machte ihm diese Scheißangst: ihr Glück! Er konnte ihre Hoffnung richtiggehend spüren, ein kleines, pulsierendes weißes Etwas zwischen ihnen auf dem Bett. In der Schwebe zwischen noch hellerem Leuchten oder Sterben. Und sie legte es alles in seine Hände, sagte: Hier, halt das fest, für mich.
Er wollte ihr sagen: Mel, ich werd das dermaßen gegen die Wand fahren.
Sie setzte sich auf und seufzte. Irgendwie hab ich ja gehofft, von dir kommt auch was. So was wie: Ich bin auch glücklich mit dir, Mel.
Natürlich bin ich glücklich. Das ist jetzt bloß so -
Plötzlich?
Ja, sagte er.
So hab ich mir das nicht vorgestellt.
Ich weiß, ich weiß …
Brad, sagte sie, ich liebe dich.
Er schloss die Augen. Das hatte sie ihm noch nie gesagt. Aber er hatte davon geträumt, dass sie es sagte – spätnachts manchmal, wenn er zu aufgeputscht war, um zu schlafen. Und jetzt, wo
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