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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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– Wein und Blut und der Camino.
    Das reale Nájera dagegen verschwand irgendwie aus meinem Gedächtnis. Das wahrhaft bemerkenswerte, über tausend Jahre alte Kloster Santa Maria la Real mit riesigen Mauern aus roten Steinen und mit Zinnen wie eine Burg, die rote Schlucht und der Fluß, die man passieren mußte, die sehenswerte Stadt mit Höhlenhäusern im roten Fels, wo sich die westgotische Bevölkerung vor den marodierenden Mauren verschanzte. Die kann ich doch nie und nimmer übersehen haben? Statt dessen war ich urplötzlich in Azofra , dem Tagesziel, ohne richtig zu wissen wie. In Erinnerung blieben mir aber ganz sinnlos die vielen Pilger auf der Strecke unmittelbar davor, auch ungewöhnlich viele Menschen im Ort, das nicht nur über Kneipen und Geschäfte verfügte, sondern erstaunlicherweise auch ein Luxushotel, ein umgebautes ehemaliges Kloster oder Schloß, wo eine Nacht zwei bis dreihundert Euro kostete. Für so eine Luxusherberge bot der Ort erstaunlich wenig. Es war erst kurz nach Mittag und eigentlich noch zu früh, um für die Nacht einzukehren. Aber ich hatte die Nase voll von Laufen und blieb. Die Herberge von Azofra stellte sich als eine riesige, perfekt durchorganisierte Angelegenheit heraus, mit großen Baderäumen und Boxen für jeweils zwei Personen, die mit einer kleinen Schwingtür, wie man sie von den Bars in den Westernfilmen kennt, „verschlossen“ wurden. Den großen Aufenthaltsraum mit einer Küche fand ich zwar nicht sehr schön, doch sehr praktisch. Ich hatte den halben Tag frei, um zu erledigen, was es zu erledigen gab, dann lungerte ich im Aufenthaltsraum herum und lernte Leute kennen. Da war eine Kroatin mit ihrem französischen Freund, einem Theologen. Ein strenger sehr französischer Katholik, wie es mir schien, da wunderte ich mich fast über die Freundin. Immerhin konnte ich mich gleich in zwei Sprachen üben, und wir verbrachten gute Zeit bei einem interessanten Gespräch über Glauben und Religion und tranken dabei zwei Flaschen mittelmäßigen lokalen Weines. Ich habe eine hohe Meinung von den Weinen des Rioja, und war etwas enttäuscht, aber vielleicht hat uns der Wirt nur bemogelt. Dann lernte ich ein ostdeutsches Ehepaar kennen, das angeblich aus dem weit entfernten Erfurt zu Fuß unterwegs war. Da aber stimmte was nicht. Ich glaube, es war ein wenig geschwindelt. Für so eine Tour waren sie unpraktisch gekleidet, trugen eine Art Farmerkleidung aus schwerer Baumwolle, breite Ledergürtel und einen Haufen Gepäck. Zu gut, zu sauber für jemanden, der angeblich seit Monaten durch Schlamm und Staub des Camino unterwegs war. Sonst trugen alle nur moderne Hightechmaterialien — wegen des Gewichts und der besseren Funktionalität. Auch war das Paar nicht so fertig abgelatscht und abgewirtschaftet wie wir alle. Sogar die scheinbar unzerstörbaren Les Fous sahen inzwischen etwas blaß um die Kiemen aus. Mir aber erzählten die Erfurter, etwa um dieselbe Zeit wie ich gestartet zu haben und eine eigentlich viel längere Strecke über Nordfrankreich und Paris gegangen zu sein, was eine unglaubliche Laufleistung wäre, die ich mir selbst in der angegebenen Zeit nicht zutrauen würde. Als ich mich darüber wunderte, meinten sie, ein Stückchen mit dem Bus gefahren zu sein, um für ein paar Tage Freunde zu besuchen, es sei eigentlich mehr ein billiger Urlaub. Billiger Urlaub? Weder das eine, noch das andere – aus meiner Sicht. Doch die Ossis haben halt etwas Praktisches an sich. Dann aber hörte ich sie am Nebentisch erzählen, wie sie feierlich in einer Prozession von der evangelischen Gemeinde daheim auf der ersten Etappe hinausbegleitet wurden. Das interessierte mich, denn mich würde keine Maus feierlich hinausbegleiten, geschweige schon meine eigene Kirchengemeinde. Aber sie wollten über Religiöses nicht reden und gingen mir – vielleicht deswegen — dann aus dem Weg. So ein Schmarren, als ob ich sie was Unanständiges gefragt hätte. Ich traf sie nie wieder und vermißte sie nicht.
Redecilla, km 2281
    So eine Schlafbox wie in der Herberge von Azofra mag einem Unbeteiligten vielleicht lächerlich vorkommen. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich mal vor vielen Jahren über ein Schlafboxhotel in Japan gelesen habe, wie ich mich da recht überheblich gewundert habe. Doch in der Not frißt der Teufel Fliegen, und der Pilger hat sich mit Widrigkeiten abzufinden. Unter diesem Aspekt war das hier garantiert nicht das Übelste. Die Holzboxen boten Platz für zwei Mann und ihr

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