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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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sechsunddreißig Kilometern auf wenig befahrenen Asphaltstraßen über Cañas, San Millán de la Cogolla, wo aufregende Berge und Gebirgswälder winken. Wer mochte sich denn statt dessen auf einem langweiligen Schotterweg den Hintern platt klopfen lassen. Der Schotter schlug auf die Gelenke, aber die Radlerpause tat wohl. Nach einer Weile schien es mir, als ob nicht ich mich durch die Landschaft bewegte, sondern die Landschaft an mir vorbeizöge. Für einen Fußgänger ein seltsames Gefühl. Dies aber war nur eine kleine Kostprobe dessen, was mich noch erwartete.
    Da bot sich bald Abwechslung in Santo Domingo de la Calzada. Die Stadt ist uralt und geht auf eine Niederlassung des heiligen Domingo de Viloria im Jahre 1044 zurück. Er ließ da eine noch stehende Brücke über den Fluß Oja und ein Pilgerhospital mit einer beeindruckenden Fassade bauen. Viel zu gut für uns Pilger. Heute dient es als teuere Luxusherberge. Die gibt es in Spanien unter dem Begriff Parador so ziemlich überall. Solchen Menschen, die sich paradiesische Zustände leisten können, sind sie unbedingt zu empfehlen. Für die Pilger ist es kein Verlust, da es für sie eine andere passende Wanzenbude gibt. Doch für die historischen Ruinen bedeutet der Umbau zum Luxushotel eine attraktive Rettung. In dieser Hinsicht sind die Spanier bewundernswert. Wohl haben sie nicht genug Energie und Mittel, um das riesige Kulturerbe immer adäquat als Selbstzweck zu pflegen und zu erhalten, doch sie lassen es auch nicht einfach vermodern, sondern fügen dem statt dessen eine neue Bedeutung zu. Alles, was Touristen anzieht, ist willkommen. So auch das „Hühnerwunder“ von Santo Domingo. Der Legende nach habe hier ein Vater seinen zuvor zu Unrecht wegen Diebstahls gehängten Sohn bei seiner Rückkehr aus Santiago noch lebendig am Galgen baumelnd vorgefunden, was ihm der gerade zu Mittag speisende Richter freilich nicht glauben und mit zwei toten, da gebratenen Hühnern auf seinem Teller als kapitalen Unsinn begreifbar machen wollte. Der Sohn könne genauso wenig noch am Leben sein wie diese. Sogleich die zwei Kapaunen lebendig wurden und davon flogen. Die Geschichte ist spannend, exotisch und belehrend, und hat somit alle Attribute eines guten Märchens. Sie ist so populär, daß man auch anderorts davon Gebrauch macht. Hier aber hält man gar zwei gackernde Hühner in der Kirche. Dafür sind die Touristen auch gerne bereit, ein saftiges Eintrittsgeld zu zahlen. Wenn man Glück habe, würde man den Hahn bei der Messe schreien hören, hieß es. Ja dann! Darauf konnte ich aber getrost verzichten. Hühner auf dem Altar!
    An die spanischen Provinzkirchen mußte ich mich sowieso erst gewöhnen. Sie mögen kulturhistorisch bedeutsam sein, doch riechen sie wegen ihres enormen Alters und mangelnder Lüftung meist feucht und muffig. Und nie kann man sich ganz sicher sein, was einen drinnen erwartet. Bis auf eine riesige hölzerne Altarswand, die bis zur Decke reicht, wirken sie kahl und unfreundlich. Diese barocken Altarswände sind typisch für diese Gegend — überladen, vergoldet, voller Zierrat und Nischen mit allen möglichen Heiligenstatuen und Reliquien darin. Wirklich Wertvolles scheint es darin nicht zu geben. Das Argument also, man müsse die Kirchen wegen der Diebe verschlossen halten, ist wohl mehr eine Ausrede. Meist nahm ich das gelassen hin. Aber die Kathedrale hier in Santo Domingo ist berühmt und sehenswert, und ich hätte darin gerne Zeit verbracht und gebetet. Allerdings bin ich grundsätzlich nicht bereit, Geld zu zahlen, um das Haus des Herrn zu betreten. So wurde ich etwas aufsässig der adretten Dame am Eingang gegenüber, die mich ohne Eintritt nicht hinein lassen wollte. Ich erklärte ihr ohne Umschweife, man müßte mit ihr und ihrem Handel genauso verfahren, wie es Jesus mit den Geldwechslern und Taubenhändlern im Tempel tat. Mein Haus soll ein Haus des Gebetes sein. Ihr aber macht daraus eine Räuberhöhle. [64] Ihr Gesicht war leer, und ich sah ein, daß hier jeder Eifer sinnlos wäre. So blieb ich eine Weile vor der Kirche sitzen und tat so, als wäre ich drinnen, und das war auch besser, als sich über ein Federvieh im gotischen Käfig zu verwundern. Ich überlegte, daß der Herr damals im Tempel von Jerusalem wohl ein ziemliches Glück hatte, wegen seiner mutigen Tat nicht mißhandelt worden zu sein, sei es durch die Händler oder die Büttel. Verstanden hat ihn vermutlich niemand, ich glaube, auch nicht die Jünger. Ich hätte ein

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