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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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wuchs in mir die Überzeugung, ich werde Santiago nie ereichen, hier auf dem Weg im Staub verenden. Was mich seltsamerweise mit großer Ruhe, ja Zufriedenheit erfüllte, denn ich hatte keinen Erwartungsstreß mehr, es lastete keine Pflicht mehr auf mich. Wenn ich nicht aufgab, bis zum Ende ausharrte, habe ich ungeachtet des Ausgangs mein Gelübde erfüllt. Der Rest lag in Gottes Hand, über die ich keine Gewalt hatte, so oder so. Nicht mein, nein, dein Wille geschehe. Ich nehme alles gleich dankbar hin. Denn was es auch sein mag, es wird die beste, die köstlichste aller Möglichkeiten sein. In deine Hände lege ich mein Leben, du wirst mich führen, wie du mich immer führtest, auf grüne Auen, in das Land der Verheißung. Und so bin ich am Ende auch noch furchtlos geworden. Und dieser Mut ist mir bis heute erhalten geblieben, wofür ich sehr dankbar bin, weil ein Leben frei von Angst, wer möchte das nicht, und wer kann es von sich behaupten?
    Es war noch nicht ganz drei Uhr, als ich Arzúa erreichte. Hier gab es wieder reichlich Pilger, etliche in schmucken, unbenützten Klamotten, mit blanken Tennisschuhen oder gar Lederhalbschuhen angetan. Ein paar trieben sich vor dem Lebensmittelgeschäft und vor den Kneipen herum. Zwei Privatherbergen waren trotz der frühen Stunde schon belegt. Ich schleppte mich auf inzwischen recht wackligen Beinen noch bis zur kommunalen Herberge, wo die Übernachtung angeblich nur drei Euro kostete. Ein Spottpreis, und sie machte von außen und im Eingangsbereich guten, gemütlichen Eindruck. Doch war sie schon voll, obwohl sie erst eine halbe Stunde zuvor die Pforten öffnete. Pilger waren zwar nicht zu sehen, doch stellvertretend türmte sich ein riesiger Haufen Gepäck in der Ecke, das seiner Besitzer harrte. Man lud es gerade aus dem Kleintransporter aus. Wessen Rucksack angenommen wurde, war drin. Eine spanische Jungfer an der Theke schrieb die Namen in die Gästeliste. Mich schickte sie mit etwas geheuchelten Bedauern weiter. Alles voll. Mit Rucksäcken und toten Seelen. Während ich elend da stand und dachte, jetzt tot umfallen zu müssen. Ein Pilgerpolizist in der Ecke machte Anstalten, sich vom Stuhl zu erheben, den Daumen am Sicherungsriemen des Revolvers, da ich nicht gleich kapieren wollte. Ich ersparte ihm die Mühe, mich zu erschießen. Es war ja sowieso alles egal. Warum sollte er diese Sünde noch auf sich laden, wenn ich sowieso nicht viel weiter kommen würde? Ein kurzes Leiden noch. Oder eigentlich gar kein Leiden, da ich jetzt irgendwie wie auf Wölkchen ging. Der Pflaster unter meinen Füßen fühlte sich weich und mollig an. Schmerzen hatte ich keine. Und solange die Wolke, auf der ich ging, mein Gewicht hielt, konnte ich weitergehen. Doch der Herr, der mich nie im Stich ließ, führte mich zu einem schmucken Hotel mit ein paar Sternchen, das im Hinterhof für die Pilger sauberen Schlafraum und hübsche Küche parat hielt. Alles schick und komfortabel und nur für mich allein, weil es hier keine anderen Pilger gab. Erstaunlich, wenn ich an die drei völlig ausgebuchten Herbergen zuvor dachte. Ich duschte und trank einen heißen Tee in der Küche. Es gab sogar ein paar Vorräte im Kühlschrank, aber ich konnte nichts essen, wie ich auch schon den ganzen Tag nichts aß. Ich war mit meinen Kräften am Ende und hatte mich zu beeilen, ins Bett zu klettern. Ich deckte mich mit allem zu, was ich fand, um den Schüttelfrost zu mildern, rollte mich zusammen und war eingeschlafen, bevor ich das Vaterunser zu Ende beten konnte.
    In Arzúa steht etwas abseits des Camino ein simples, kleines Holzkreuz, geschmückt mit frischen Blumen mit der folgenden Aufschrift: Remember In Your Prayers Myra Brennan (52 yrs) nee Holland of Kilkenny and Sligo, Ireland, who died peacefully in her sleep in Santiago de Compostella on 24/06/03 having just completed her 2nd consecutive Camino. „And I shsll have some peace there, for peace comes dropping slow” … (W.B. Yeats).
Monte do Gozo, km 2949
    In gleicher krummen Stellung, in der ich einschlief, wachte ich wieder auf. Offenbar habe ich mich in der Zwischenzeit gar nicht bewegt. Unter dem Haufen Decken war es dunkel und warm. Ich genoß die Wärme. Es hieß, kein Schüttelfrost, kein Fieber mehr. Wenn ich mich vorsichtig bewegte, wurde mir auch nicht schwindlig. All das waren gute Zeichen. Der Schlaf mochte mir geholfen haben, wie ich es schon erlebte. Einst in der Jugend auf einer Reise per Anhalter durch den Balkan vergiftete ich mich mit

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