Bis ans Ende der Welt
erwähnte er zwei gottesfürchtige Jungfer, die gleich gegenüber wohnen und uns gewiß gerne in ihrem Haus aufnehmen würden. „Da hätten Sie es viel bequemer. Sagen Sie, daß sie von mir kommen. Wenn dort voll ist, kommen Sie wieder.“ Rasch verschwand er in der Tür, und wir zogen zehn Meter weiter zum gegenüberliegenden Zaun, hinter dem eine Frau mittleren Alters den Garten jäte. Wir erklärten ihr die Lage, was eigentlich unnötig war, da sie vermutlich unsere Unterhaltung mit dem Pfarrer hören konnte. Nun war sie auch sofort Feuer und Flamme uns aufzunehmen. Obwohl es Haken gab: „Eigentlich ist das Zimmer nur für eine Person, es hat ja nur ein Bett, nun, macht nichts, ihr seid jung, ein großes Bett, eigentlich groß, ja, einer kann auch daneben auf dem Boden schlafen, das geht auch, dafür kostet es nur fünfundzwanzig Franken, das ist der gesetzlich vorgeschriebene Mindestpreis.“ Sie lachte, vielleicht, weil sie das Problem mit dem Bett so klug gelöst hat. „Na ja, bei zwei Leuten macht’s freilich das Doppelte, oder?“ rechnete sie dann gleich nach. Ich wollte unsere Verlegenheit, die groß war, etwas kaschieren und fragte nach einer Dusche. „Nein,“ meinte die Frau entschieden, „nein, allerdings, keine Dusche, natürlich, woher eine Dusche, nein, wir haben freilich ein Bad, das versteht sich, aber das werden Sie doch einsehen, das können wir ihnen nicht überlassen, wir müssen uns auch waschen, das brauchen wir selbst, aber das Zimmer hat auch ein Waschbecken, groß, komfortabel, da werden Sie zufrieden!“ Wir zogen uns zur Beratung zurück vor die einladenden Glaswände des Pfarrzentrums. Die bereits tiefliegende Sonne beleuchtete das Innere aufs Trefflichste, die Teppichböden sahen neu, sauber und sehr weich aus. Christoph erklärte, er würde nie vor dem Bett „in einem stinkigen Zimmer“ auf dem Boden schlafen wollen. Ich erklärte dasselbe. Daraus ergab sich ein unauffälliges Weggehen. Außer Sichtweite gaben wir dann richtig Schritt und sahen uns nicht mehr um. Christoph erzählte von einem Pilgerbuch, in dem sich zwei amerikanische Frauen ohne einen Cent in der Tasche auf dem Jakobsweg durch die Schweiz schnorren. Wir stimmten überein, daß es hierzu außergewöhnliche Persönlichkeit bedürfte.
In der nächsten Stadt, sie hieß Tafers, wußten wir es schon besser und ließen den Pfarrer in Ruhe. Warum den guten Mann in Versuchung führen? Der Herr war ja mit uns. Treu der guten katholischen Tradition besuchten wir erst die Kirche, dann aber die Kneipe. Nichts als Käse, Brot und Wasser seit langer Zeit. Die Entscheidung fiel spontan und einstimmig. Gegen die Geschmackdeprivation! Zum Teufel mit den Schweizer Preisen! Ich aß eine Pizza und trank vier riesige Coca Cola. Meine Hände zitterten schon, wenn das nächste feuchte Glas mit dem köstlichen Getränk auf den Tisch kam. Die Eiswürfel schellten wie kleine Silberglocken. Möglicherweise sah es für andere etwas seltsam aus. Oder auch nicht. Im Hintergrund lief auf einem Riesenbildschirm Fußball — womöglich wieder die Türken? Die Gäste waren abgelenkt, und der Bedienung war alles egal, solange die Kasse stimmte. Wir zogen den seltenen Luxus maximal in die Länge, und gingen erst, als es längst dunkel wurde. Wieder auf der Straße waren wir uns dann sofort einig, daß ein um die Kirche gelegener Friedhof ein guter Nachtplatz sein müßte. Zentrale Lage, fließendes Wasser, ruhige Nachbarn. Am oberen Ende stand am Hang eine alte Pfarre, die jetzt nur als Büro diente, die zwei Bänke neben dem Eingang und kleines Grün davor schienen mir sehr passend. Christoph aber währte die Privatsphäre und verschwand irgendwo hinter den Gräbern. Mit seiner praktischen Schaumstoffmatratze konnte er wählerisch sein. Ich dagegen hatte nur einen dünnen Schlafsack, ich brauchte eine Bank. Der Vollmond strahlte wie eine Laterne, mein Nachtlager war gleich bereitet, und ich kroch hinein. Doch es fehlte was – ein Bad. Ein Bad, eine Dusche hätte ich sehr nötig gehabt, der Tag war heiß, die Wege staubig. Es juckte und kratzte. Da fiel mir ein altes Taufgefäß ein, der neben der Kirche stand, damit die Friedhofbesucher ihre Kannen voll machen konnten. Das Ding war gewaltig, eine flache steinerne Muschel, breit und tief, mit einem Wasserhahn darüber. Kurzentschlossen ging ich hin, zog mich aus und stieg ein. Der Hintern rutschte zwar etwas auf den Algen, und die Füße hingen über den Rand, aber sonst... Gut barbiert, den
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