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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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Dorfjugend noch hoch her. Auch wäre die nächste Etappe unverhältnismäßig lang. So standen wir echt ratlos vor der Bar. Christoph äußerte sich kritisch, irgendwann hätte man durch „das ständige Schmatzen“ den Weg sowieso verlieren müssen, insofern sei es der Pilgerschaft generell abträglich. Da war was dran, und ich schämte mich meiner Geschwätzigkeit. Also machte ich mich daran zu erklären, ich sei „eigentlich sehr überrascht über das Mißgeschick“, da der Herr ja immer mitgeht und auf uns achtet und uns überhaupt an nichts fehlen läßt, und ich dies ganz konkret und gegenständlich meine im Sinne eines gepflegten Supermarktes mitten auf den Weg genau zur Mittagspause unter das Kreuz gestellt. Und Christoph wollte schon eine Schnute ziehen und vielleicht gar eine unkluge Entscheidung treffen, wie etwa doch auf der Schnellstraße weiter zu gehen, da lief aus der Bar ein Mann auf uns zu und machte den hastigen Vorschlag, mit zu ihm nach Hause zu fahren, um dort „ein paar Bierchen zu trinken“, das sei ein wenig abseits von hier, doch er bringe uns wieder zurück, keine Sorge.
    Sogar Christoph, der seinen Leib stets dem Beton der Schulhöfe und anderorts anzuvertrauen bereit war, bekam Zweifel, ob dies nicht irgendeine „miese Anmache“ sei, ich aber sah darin den ultimativen Beweis des eben Gesagten und war gleich bereit, selbst mit einem mir zuvor unbekannten Schweizer Franzosen „ein paar Bierchen“ in seinem Heim zu leeren. Auch dann, wenn es in der Schweiz sonst ganz und gar ungewohnt sein mag, verschwitzte, verstaubte Fremde von der Straße zu sich nach Hause zu schleppen, um ihnen Alkohol anzubieten. Außerdem, was hatten wir noch zu verlieren?
    Wir stiegen also in einen klapprigen, rostigen Peugeot ein, was nicht so einfach war, weil die französische Autofirma bei der Planung nicht die Länge meines Pilgerstabes mit einbezog, und nun ragte ein gehöriges Stück davon frech und verkehrswidrig aus dem Fenster, immer bereit, vorbeiziehende Passanten niederzumähen. Aber der Herr achtete darauf, daß keine kamen, und vielleicht fiel es ihm gar nicht so schwer, weil die Gegend, durch die wir fuhren, immer einsamer und einsamer wurde, und bald überhaupt kein Mensch und kein Rad zu sehen waren. Wir wußten längst nicht mehr, wo wir uns befanden, und wie wir da wieder herauskommen könnten, und Christoph machte ein finster nachdenkliches Gesicht, während der Fahrer sich um lockere Konversation bemühte. Dann aber, ganz unverhofft und vermutlich kurz, bevor Christoph in Panik aus dem Wagen hätte springen können, tauchte auf einer niedlichen Anhöhe eine wirklich adrett aussehende, schmucke Villa auf, die absolut nicht zu unserem Fahrzeug paßte. Gleich danach wanden wir uns verwundert aus dem alten Peugeot und nahmen Platz auf einer großen Veranda vor dem Gartenteich, in welchem einige für uns unsichtbare, doch der Sage nach eingeschleppte amerikanische Riesenfrösche wie wild quakten und tobten. Wir tranken je drei feine, kühle Biere aus Blechdosen, was Christoph von den schlimmsten Zweifeln zu befreien schien. Doch schon sprang der Hausherr wieder auf und drängte uns zur Besichtigung einer Waldkapelle, und wir zwängten uns gerade zurück in den Peugeot, als der Sohn des Mannes nach Hause kam, der von dem ungewöhnlichen Treiben des Vaters wohl etwas überrascht war, dennoch nichts sagte und gute Miene zum bösen Spiel machte. „Gurten Sie sich an,“ warnte der Mann besorgt, „mein Sohn ist bei der Polizei. Das ist mir zwar nicht ganz recht, aber was soll man machen, er ist der einzige Sohn.“ Es klang fast so, als würde uns der Sohn gleich einen Strafbefehl ausstellen, hätten wir uns nicht wie vorgeschrieben angegurtet, und der Mann schien das Mißgeschick, einen leibhaftigen Flic im Hause beherbergen zu müssen, ehrlich zu bedauern. Und ich mußte daran denken, wie ganz anders, gewichtig, ja gar angeberisch es in Deutschland gesagt sein würde: „Schaut her, ich bin wer, mein Sohn ist bei der Polizei, ein Beamter mit Pension, ein Hüter der öffentlichen Ordnung und der Volkssicherheit, nehmt euch in acht!“ Ich sprach dem Herrn Dank, daß ich noch so etwas erleben dürfte, und faßte ab sofort volles Vertrauen und große Sympathie zu diesem großherzigen, weisen Mann, auch wenn sein Sohn ansonsten ein echt sympathischer Kerl war, mit dem ich ohne weiteres noch drei Dosenbier hätte trinken mögen. Und so fuhren wir unbequem, doch ordentlich angegürtet ab und

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