Bis ans Ende der Welt
bald wie bunte Hunde bekannt, und mich verfolgte der Ruf, andauernd mit jungen Mädchen auf einer Wiese im Gras zu bummeln, bis über die Pyrenäen. Dann änderte sich das Publikum und die hübschen Mädchen gingen mir aus. Aus sicherer Ferne sahen wir nun die ganze Meute, die wir zuvor überholten, an unserem Bauernhof vorbeigehen. Es war irgendwie tröstlich. Dann halfen wir noch zwei älteren slowakischen Pilgern auf den Weg, die ohne Sprachkenntnisse keine Person und keinen Wegführer zu Rate ziehen konnten. Sie waren ziemlich erstaunt, jemanden gefunden zu haben, der sie verstand. So kamen wir erst relativ spät im Gîte von Saint-Privat-d’Allier an, wo man mit uns trotz Reservierung nicht mehr rechnete und andere an unser statt aufnahm. Wir kamen gerade noch unter, ich allerdings nur in einer staubigen, nicht sehr wohlriechenden Kammer mit allerlei Gerümpel darin. Für die Mädchen gab es noch zwei Betten im Gemeinschaftsschlafsaal auf dem Dachboden. Wir kochten alle zusammen Pasta, der Wirt, ein sympathischer Holländer, spendierte Öl, Gewürze und eine halbe Flasche billigen Landweins. Daß er Ausländer war, überraschte mich ein wenig, aber später stellte ich fest, daß immer mehr geschäftstüchtige Aussteiger aus Niederlanden, Großbritannien und anderen Ländern eine Herberge auf dem Camino eröffnen, mit den Einnahmen das Haus, das sie sich vermutlich sonst nie leisten könnten, finanzieren und in ansprechender Gesellschaft den Sommer in Frankreich oder Spanien fast kostenfrei verbringen. Das funktionierte offenbar auch dann, wenn man wie hier keinen Festpreis, sondern nur eine Spende verlangte.
Während des Abendessens entbrannte ein heftiges Streitgespräch zwischen den Mädchen und einem kirchenkritischen Pilger. Die katholische Kirche würde das Wasser predigen, selbst jedoch dem Wein huldigen, und man käme auch ohne sie gut weg. Wer selbst von Macht, Reichtum und gutem Leben reichlich Gebrauch mache, sollte anderen nicht die Moral predigen. Sein Standpunkt war nicht neu. Schon der Apostel Paulus sprach das Problem im Brief an die Römer viel drastischer an. So deutlich, daß sich so manche Bibelübersetzung vor dem Wortlaut lieber drückt. Doch er gab auch gleich die Antwort: Daß aber einige nicht treu waren, was liegt daran? Sollte ihre Untreue Gottes Treue aufheben? [33]
Meine Freunde und Bekannte zu Hause sind alle getauft und katholisch erzogen worden. Dennoch hätten sie dem Mann wohl Recht gegeben oder einfach geschwiegen, sei es aus Toleranz, sei es aus Scham, sich zu bekennen, sei es aus Unwillen, sich wegen so eines Themas einem Streit auszusetzen, sei es aus Unsicherheit und Unkenntnis. Hier aber stand der ganze Tisch wie eine Eins für die Mutter Kirche ein. Elisabeth, katholische Jungfrau und Verehrerin der heiligen Theresia von Lisieux, geriet richtig außer sich über so viel Kleinmut. Lebhaft über den Tisch gelehnt, die Wangen vor Eifer gerötet, drang sie erbarmungslos auf den Zweifler ein. Ich konnte nicht leugnen, es stand ihr gut. Auch Joanna und Stephanie traten eifrig mit guten Argumenten vor. Gemeinsam schlug man die Kritik des Zweiflers nieder. Punkt für Punkt. Bis er, der Übermacht einsichtig, still aufgab.
Ich fragte mich ernsthaft, ob auch etwa Pater Michael, der Klosterpfarrer, so klar und leidenschaftlich für die Kirche, die ihn schließlich gut nährte, Stellung beziehen würde, wie es diese Mädchen hier taten. Er forderte die Meßbesucher von der Kanzel auf, nicht zu knien und veränderte kreativ den liturgischen Wortlaut. Und er war nicht der einzige Priester, der es tat. Mich als Schaf Gottes verunsicherte die Rebellion der Hirten. Sie passierte ohne Not und war doch todernst gemeint. Den Kopf in den Wolken, gesichert, wohlbestellt, geachtet, wollten sie eigene Liturgie feiern, Schwule und Frauen ordinieren, die Bibel nach dem Zeitgeist umschreiben, die Gläubigen mit Verstand statt mit Glauben füllen. Nicht der Mutter Kirche, nein, diesen progressiven Hirten ging wohl das zweifelnde Schaf verloren, und sie sind nicht zurückgegangen, um es zu suchen und zurückzubringen. Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten. [34] Nicht so die Mädchen. Auf sie war ich richtig stolz. Sie haben sich des Evangeliums nicht geschämt und standen für ihren Glauben ein. Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg
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