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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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Kamm überschritten und das Aubrac-Hochland hinter uns gelassen. Landschaftlich was es wohl das aufregendste Stück der Pilgerreise. Es hätte mich überhaupt nicht gewundert, wenn plötzlich irgendwo ein Trupp bewaffneter Ritter angeritten käme. Nun erwartete uns ein steiler Abstieg ins Tal des Lot . Unser heutiges Planziel, Saint-Côme-d’Olt, lag ganze achthundert Meter tiefer. Und bergab steigt es sich schwieriger als umgekehrt. Aber so weit sollten wir heute gar nicht kommen.
    Um diese Zeit wuchs mein Reiseanhang auf fünf hübsche Begleiterinnen. Stephanie war nun mit dabei, fidel und fast vollkommen wiederhergestellt. Im Gegensatz zu Joanna fand sie ihr Tempo, das sie dauerhaft halten konnte. Es war schon fast ein Harem, und ich hatte keine Ahnung, was die Mädchen anzog. Es war auffällig, und man fing an, darüber witzige Bemerkungen zu machen. Meiner Eitelkeit mag es noch gut getan haben, aber es hatte auch Nachteile. So viele attraktive Jungfern zogen Männer wie Fliegen an. Ständig versuchten welche, sich unserer Gruppe anzuschließen und galante Gespräche zu knüpfen. Die Jungs umkreisten uns wie Wölfe die Schafsherde. Elisabeth und Joanna hielten zueinander und unterhielten sich über Klamotten und andere Mädchensachen, bei denen ich bestenfalls nur diskret zuhören konnte. Überall Getümmel und Lustbarkeit.
    Am Ende fühlte ich mich in der Menge allein und ausgeschlossen. Und ich hatte genug. In der Pause beklagte ich mich bei Joanna, die daraus schloß, ich möchte sie verlassen und allein weitergehen. Sie nahm ihre Sachen, wünschte mir gute Reise und verschwand. Ich saß noch eine kurze Weile müde und traurig etwas abseits auf einem Baumstamm, während ein paar Meter zurück fidele Hochstimmung herrschte. Frohsinn und Rummel um mich herum machten mich nicht heiter. Da fühlte ich mich immer eitel und einsam. Ich wollte nur noch ein wenig ruhen. Keiner schien zu bemerken, als ich zögerlich aufstand und ging. Bald aber legte ich Tempo zu. C’est la vie. Bis nach Saint-Côme-d’Olt waren es noch gute zwanzig Kilometer, und der Nachmittag war schon recht fortgeschritten. Joanna konnte halt nicht schneller. Ich mußte mich nun beeilen, wenn ich nicht von der Dunkelheit eingeholt werden wollte. Es tat mir weh, mich von Sissi nicht verabschiedet zu haben. Sie sollte mir fehlen. Ich habe mich an sie zu sehr gewöhnt. Sie schien mir anderwärtig beschäftigt, und so ein kurzer Abschied inmitten fremder Lustbarkeit war nichts wert. Ich konnte ihr doch nicht einfach die Hand schütteln, Servus sagen und gehen? Möglicherweise würde man sich noch unterwegs treffen und das Versäumte nachholen. Ich marschierte tausend Kilometer mit dem Herrn allein. Es war vielleicht keine schlechte Idee, es von nun an weiter zu tun. Auch wenn es weh tat. Adieu, mes filles. Je vous n’oublie pas.
    Nach einer Weile aber holte mich Elisabeth ein, richtig erschrocken, ob ich sie denn nicht mehr mögen würde. Dann rannte sie weg, kam gleich mit Gepäck und Joanna zurück, und drehte sich nicht einmal um. Wir stiegen mühsam durch den struppigen Wald immer tiefer ins Tal hinab. Joanna aber konnte sich kaum noch fortbewegen. Auf halber Strecke, kurz vor Saint-Chély-d’Aubrac, blieb uns nichts anderes übrig, als ihr gesamtes Gepäck zu tragen. Die engen steilen Pfade voller Steine kosteten sie die letzten Reserven. Sie weinte nun häufig und hüpfte teilweise auf nur einem Bein. Damit machte sie dann auch das andere Knie fertig. Gott sei Dank kam die Stadt schon in Sicht. Elisabeth ließ uns zurück und ging erst die Herberge suchen, damit Joanna keinen überflüssigen Schritt mehr machen muß. Wir waren dabei auf die Hilfe des Herrn angewiesen. Ohne Reservierung und bei der Zahl der Pilger auf diesem Wegabschnitt war es überhaupt nicht sicher, ja nicht einmal wahrscheinlich, daß wir noch etwas finden. Meist wurden die Reservierungen schon am Vorabend oder spätestens am frühen Morgen getätigt. Und doch zweifelte keiner von uns am Erfolg. Und tatsächlich gab es einen komfortablen kommunalen Gîte und darin noch genau drei Plätze frei, die kurz zuvor jemand absagte. Nach dem Duschen entdeckte ich dort in einer Kammer schlafend Jörg, den Arzt, weckte ihn auf und ließ Joannas Knie untersuchen. Seine Diagnose hieß akute Sehnenentzündung, der Heilvorschlag zwei Wochen strenge Ruhe. Ein paar Tabletten Diclofenac gegen die Entzündung hatte er dabei, den Rest lieferte Elisabeth. Sie nahm sie schon seit einer Weile,

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