Bis ans Ende der Welt (German Edition)
erzählte, ich hätte mangels Einkaufsmöglichkeiten nicht einmal eine Kante Brot mehr, meinte sie, sie würde nie Brot kaufen. Die Restaurants unterwegs würden ihr völlig ausre i chen, und sie genieße sehr das einfache Leben aus dem Rucksack. Meinte sie den riesigen Rucksack, den der Geschäftsmann zu schleppen hatte? Wozu denn immer sinnlose Sachen kaufen, man käme auch mit weniger aus, moralisierte sie weiter. Dann gab sie mir noch ein paar gute Ratschläge und Belehrungen mit auf dem Weg, um den Geist des Camino, da ich nun einmal hier sei, nicht ganz zu verfehlen. Schließlich sei sie schon vier Tage unterwegs und wisse Bescheid. Meinen etwas bissigen Einwand, ich sei schon neunzig Tage und zweieinhal b tausend Kilometer auf dem Camino, fand sie wohl unpassend. So könne man mit ihr nicht reden und das Gespräch lieber gleich lassen. Ich gab ihr recht und las weiter in Saint Exupéry. Sie schien damit aber nicht ganz zufrieden zu sein.
Calzadilla de los Hermanillos , km 2489
Es kamen keine Pilger mehr an diesem heißen Tag. Die Masse muß mit Bus oder Taxi gefahren sein, und die wenigen, die hier am Zaun müde und verstaubt vorbeigingen, kehrten einfach nicht ein. Wer weiß warum. So schlief ich völlig alleine in einem kühlen, sauberen Schlafraum, unbelästigt von Schnarchern und Wanzen. Das betuchte Pärchen auf der Suche nach dem einfachen Leben nahm sich ein Einzelzimmer. Am Morgen hatte ich auch das Bad nur für mich. Das war schon etwas, auch wenn es jetzt am Morgen nur kaltes Wasser gab. Weni g stens gab es überhaupt welches, und alles war hier neu und blitzsauber. Doch wieder unterwegs, ging es mir sofort wieder schlecht. Seit dem Mittag des ve r gangenen Tages aß ich nichts Festes. Das Abendessen bestand aus zwei trotz i gen Cola, das Frühstück aus einer Tasse Kamillentee. Vorräte konnte ich nicht mehr aufbieten, und es gab niemanden, bei dem ich hätte schnorren können. Außerdem verschlechterte sich meine Erkältung. Ich hatte eindeutig Fieber und nahm mir fest vor, künftig beim Wein zu bleiben und keine eiskalte Cola mehr zu trinken. Es war absurd, in dieser unbarmherzigen Hitzeglut Schüttelfrost zu haben. Schwitzen mußte ich natürlich um so mehr. So sehr, daß die Stiefel schon bald mit Schweiß voll liefen. Auch das war nichts Neues. Ich machte Pause und trocknete die Socken an der Sonne. Die Schürfwunde an der Innenseite der gr o ßen Zehe sah diesmal irgendwie violett aus, außerdem begann das Fußgelenk anzuschwellen. Ich packte lieber alles wieder ein und zog weiter. Der Horizont schwamm vor mir, und manchmal lief ich ein wenig zickzack. Da der Geist tr ü be war, funktionierte auch nicht der Trick mit dem fremden Körper. Es waren dreizehn sehr lange Kilometer bis Sahagún , aber ich kam an. Zu meiner Überr a schung fand dort gerade ein Wochenmarkt oder ähnliches statt. Jedenfalls hatten alle Geschäfte auf, und die Stadt war voller Leute. Auch etliche Pilger trieben sich herum. In der Apotheke, die ich zuerst aufsuchte, hatte der Besitzer eine harte Zeit. Ein älterer Deutscher mit Nierenbeschwerden suchte Rat, wie man sie loswerden könnte, ich startete eine längere Diskussion über die Wirksamkeit d i verser Mineralienpräparate unter perfekter Demonstration meiner Handkrämpfe, und als ich ging, stand schon eine ganze Reihe anderer Adepten Schlange. Ke i ner von uns wollte etwa zum Arzt, was vermutlich zu Verwicklungen, Zeitve r lust und Geldausgaben führen würde, sondern der Apotheker sollte es schnell und billig richten. Natürlich fürchtete auch jeder von uns, vom Arzt nach Hause geschickt zu werden. Danach kaufte ich jede Menge leckere Lebensmittel ein und hätte sogar die Möglichkeit, auf dem Markt die dringend benötigte lange Hose zu erwerben, aber es war gerade keine Hosenzeit, und mir war nicht nach Einkaufen. So versteckte ich mich vor der Sonne im Schatten eines kleinen Parks, um endlich auch etwas zu essen, brachte aber zu meiner Überraschung kaum ein paar Bissen hinunter. Eine Tüte Milch und ein Stück frisches Brot war alles, was der Körper bereit war anzunehmen. Ein schlechtes Zeichen, wenn man bedachte, daß ich seit vierundzwanzig Stunden kaum etwas zu mir nahm. Ein paar französische Freunde kamen zufällig vorbei, und versuchten mich au f zumuntern, aber es machte mir Mühe, mich mit ihnen zu unterhalten. Am Ende marschierte ich lieber weiter, da das Herumsitzen auch keine Erholung brachte. Wenn ich schon zu leiden hatte, dann konnte ich es
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