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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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dieser für den Augenblick, strahlte auf, wu r de gleichsam durchlässig. Alles lief wie in der Zeitlupe ab, man sah die Sonne n strahlen wie Regenschauer auf die Erde fallen und von den Steinplatten wieder abprallen. So etwas offenbart sich nicht jedem. Ich sah es und staunte darüber. Dann aber stöberte mich hier Armin, der Italo-Australier, den ich in Roncesvalles kennenlernte, auf. Unpassend, aber man weiß ja nie, wen der Herr als Boten schickt. Außerdem mochte ich ihn. Er hatte eine lebhafte, naive Art, war wie ein Kind, das sich aufmacht, die Welt zu entdecken, dem alles neu und herrlich erscheint. Nur das er es stets mit irgendwelchen komischen Vorerle b nissen vermischte und daraus absurde - doch auch irgendwie wahre - Schlüsse zog. Im Mittelalter hätte er als Hofnarr gewiß Karriere machen können, heute mußte er sich mit der Stellung eines Reiseverkäufers für australischen Wein in Frankreich begnügen. Da aber hatte man ein Narr und Schönseher zu sein. A u stralischen Wein in Frankreich zu verhökern, so ein Frevel, wer hat das je g e hört!
San Martin del Camino, km 2560
    Am Morgen war ich schon um sieben Uhr unterwegs. Es war dunkel und kalt. Alles befand sich im Aufbruch, fröstelnde Angestellte hasteten durch die feuc h ten Straßen zur Arbeit. Niemand nahm Notiz von mir. Nicht einmal die Wa s serwerfer, die den Dreck des Vortages wegspülten. Zweimal entkam ich nur knapp der Flut. Aber ich war glücklich, wieder auf dem Weg zu sein. Der Cam i no in León führt an den meisten Sehenswürdigkeiten vorbei, auch an San Marco. Schon von Weitem konnte man die herrliche, kunstvoll beleuchtete Renai s sancefassade des ehemaligen Pilgerklosters bewundern. Sie war so schön, daß ich nicht widerstehen konnte und bat den Türsteher, eine vornehme Gestalt im dunklen Zweireiher, das historische Innere des Luxushotels beschauen zu dü r fen. Er gewährte mir freundlich den Dienst, der für ihn ohne Risiko war, da alle Gäste noch schliefen, alles leer stand, und niemand an mir Anstoß nehmen kon n te. Und ich nahm mir vor, einmal, in besseren Zeiten, hier als vornehmer Gast einzukehren. Mit diesem leichtfertigen Gedanken im Kopf kam mir der Weg bis zur Weggabelung in La Virgen del Camino gar nicht so weit und fad vor. Hier hatte ich dann die Wahl, wieder die Route durch die Weite des Campos oder den regulären Weg zu nehmen. Seit zwei Tagen überlegte ich schon. Der schwierige, mit Kieseln bestreue Weg bedeutete womöglich, Wa n derschuhe statt der bequemen Sandalen anzuziehen, was wiederum der dicke Fußverband nicht erlaubte. Immer noch unentschlossen lungerte ich eine Weile herum, dann wählte ich doch die Autostraße. Der Fußverband war eine gute Ausrede. Andere Pilger schien es trotz voller Herbergen unterwegs nicht zu g e ben, ich marschierte allein durch das reizlose Land, und große Lastwagen fuhren mit ohrenbetäubendem Krach und großem Gestank an mir vorbei. Da half auch kein Gedanke an die Herrlichkeiten des Parador San Marco mehr. Je weiter man vordrang, um so schäbiger wirkten die Dörfer, fast an jedem zweiten Haus hing ein Verkaufsschild. Se vende . Aber wer mochte hier im Krach und Staub der Schnellstraße ein Haus kaufen? Alles Werte, für die einst mancher das L e ben, die Würde, die Seele hergab, sich abstrampelte, die verkamen, wertlos wu r den. Auch manche der erst im rezenten Bauboom errichteten Häuser schienen noch - oder schon wieder - leer zu stehen, darunter auch größere Firmen, deren Reklameschilder noch frisch und farbig wirkten. Ich machte am Fuß der g e schwungenen Eingangstreppe einer vornehmen Villa Mittagspause. Das Haus war völlig neu und intakt, jedoch war der Rasen von der Sonne verbrannt, die verschlossenen Fensterrolladen staubig und der Garten verwahrlost. Davor e r streckte sich ein großer, schmutziger Fernfahrerparkplatz mit billigen Resta u rants, Verkaufsbuden und einem schmierigen Hotel. Die großspurige Villa sollte vermutlich die Residenz des Investors werden, denn wer sonst würde hier bauen. Der Platz wirkte fast leer. Nur zwei Schwerlaster und ein Wagen der Guardia Civil standen einsam vor der Kantine. Hier speiste die Staatsmacht zu Mittag. Ich tat es ihr gleich, aß an der Treppe eine herrliche Dose Sardinen und ein paar Brotreste, die ich mit Wasser hinunterspülte, und machte mich wieder auf den Weg. An diesem häßlichen Ort länger als nötig zu verbleiben, wäre ein Frevel. Und da kam auch die Staatsmacht vergnügt aus der Wirtschaft, bestieg

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