Bis ans Ende der Welt (German Edition)
tristen Leere davon zu laufen. Simon muß wohl unterwegs in einer Bar angehalten und dort den Radler aufgegabelt haben, dessen Schlauch keine Luft hatte. Da kein passender Ersatz zu haben war, mußte er schieben. Nichtsdestotrotz hatten sie ein mörderisches Tempo drauf. Ich konnte kaum folgen, wollte jedoch um keinen Preis zurüc k bleiben. Ich war zu unmotiviert, und sie zogen mich sozusagen mit. Vielleicht schickte der Herr die Beiden, damit ich hier nicht irgendwo im Gebüsch a n triebslos liegen blieb, da er selbst woanders Wichtigeres zu tun hatte. Es war mir auch klar, daß er nicht nur für mich da sein konnte, also nahm ich mit dem vo r lieb, was geboten wurde. Geboten wurden Simon, der Radler und ein echt scha r fer Marsch, der dem Rekrutenschliff keine Schande machen würde. Man war in ein gutes Gespräch vertieft, und ich mischte mich kaum ein. Eigentlich störte ich nur. Der Radler aber war für mich durchaus interessant. Er war ein typischer Piefke aus Köln, überhaupt nicht religiös und nur aufgrund der Lektüre des Pi l gerbestsellers hier. Er war ein echter Fan des RTL-Komikers und hatte alle ve r wertbare Angaben aus seinem Buch in einer Tabelle notiert, die er auf einer Ka r tenunterlage am Lenkrad aufliegen hatte. Mit der Wirklichkeit konfrontiert stimmte so einiges nicht, aber das entmutigte ihn nicht. Wenn aber tatsächlich etwas der Beschreibung im Buch entsprach, freute er sich wie ein Schneekönig. Diese naive Freude und der Glaube an die Wahrheit des Geschriebenen gefielen mir sehr, und ich verbiß mir alle leichtsinnigen Kommentare, für die ich ja eine Schwäche habe, und die ihm die Laune hätten verderben können. Simon, der meine Meinung kannte, beäugte mich eine ganze Weile ziemlich mißtrauisch, ich aber gab mir keine Blöße. Keine Lästerereien, keine Kritik, keine negativen Gedanken.
Viel zu früh gelangten wir so ans Ziel meiner heutigen Etappe. Den Ort habe ich mir einfach nach der Kilometerzahl aus dem Führer ausgesucht. Die Restkilom e ter durch vier - einfache Rechnung. Zu meiner Überraschung aber war dies keine richtige Ortschaft, sei es auch noch so klein wie Barbadelo die Nacht z u vor, vielmehr wirklich nur ein Kaff, winzig klein, bestehend nur aus einer He r berge, einer Bar auf der anderen Straßenseite und noch einem einzigen Haus e t was abseits. Es sah auch nicht so aus, als ob es im näherem Umkreis von ein paar Kilometern noch mehr sein sollte. Der Kölner zitierte hartnäckig aus seiner Tabelle, hier sei gut private Unterkunft zu finden. Ein Privatzimmer, anstatt der üblichen Wanzenbuden zu finden, war dem RTL-Komiker ja wichtig. Um den guten Mann in Verlegenheit zu bringen, widersprachen wir nicht. Alles war möglich, vielleicht landete noch ein Ufo? Der Kölner würdigte unsere Diskret i on und lud uns kurzerhand in die Bar zu einem Abschiedsdrink ein. Der Laden war warm, laut und voll gutgelaunter Pilgern. Die Speisekarte war nicht zu lang, doch verlockend. Aus Neugier bestellte ich einen hausgemachten Apfelmost, der dann aber arg bittersauer schmeckte. Eine Strafe für meine schlechten Geda n ken. Wir redeten noch ein wenig über rein gar nichts, wie es eben so ist, wenn man niemanden düpieren möchte. Ein Preis des guten Umgangstons eben. De s halb machten sich Simon und der Kölner bald wieder auf den Weg. Simon mei n te, der Tag sei noch zu jung, um hier sitzen zu bleiben. Außerdem spekulierte er darauf, schon in zwei Tagen, am Sonntag, in Santiago einzuziehen. Dazu mu ß ten heute noch mindestens zwanzig Kilometer her, sonst wären die kommenden zwei Etappen viel zu lang. Meine Knie waren natürlich einer anderen Meinung, der rechte Fuß protestierte schon seit Mittag, und die Herberge wirkte sehr sy m pathisch. Aber sie war verlassen, verschlossen, und im Ort gab es keine andere Abwechslung als die Bar, wo laut Zettel an der Tür der Schlüssel zu holen war. Eine Weile schlich ich noch herum, überschlug meine Chancen, und plötzlich schien mir die Aussicht, ausgerechnet an einem Festtag anzukommen, sehr ve r lockend. Ich zog ab wie ein Wirbelwind und schon bald holte ich Simon und den Kölner wieder ein. Der Kölner meinte, ich wüßte nicht, was ich möchte. Das mochte oder mochte nicht stimmen, aber war es denn wichtig? Vielleicht, wenn man aus Köln kam. Also bot ich den beiden an, listig wie ein Franzmann, am Abend für uns alle zu kochen. Schließlich ist gemeinsam essen so etwas wie e i ne Kommunion. Ich tat es wirklich gern und ohne
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