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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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klang es, sogar ein leiser Hauch von Jubel und Versprechen lag noch irgendwo in der hintersten Ecke. Und mit einem zum bloßen Hauch red u zierten „Messieurs-Dames“ konnte man der Sache gar einen frivol persönlichen Anstrich geben. Dem süddeutschen „Grüß Gott“ aber war beim bestem Willen nichts hinzufügen. Gott ist die letzte Instanz, da verbieten sich alle Frivolitäten von selbst.
    Unzweifelhaft kamen wir unserem Ziel schon recht nahe, auch wenn es vorlä u fig bloß Wald und Wiesen gab. Doch Lausanne konnte wirklich nicht mehr weit sein. Immer mehr Asphaltstraßen waren zu queren, diverse Freizeiteinrichtungen und Lokale kamen in Sicht. Und als sicheres Zeichen der Zivilisation war nun an allen Ecken die Polizei präsent. Natürlich ginge Rex nie und nimmer so weit, zwei an Muschel und Stab klar erkennbare Jakobspilger zu belästigen, die noch dazu akzentfrei melodisch französisch grüßen konnten. Rex wußte, daß man so l che nicht in den Oberarm beißt. Aber ich fand inzwischen Gefallen daran, auch ohne staatliche Aufsicht zu atmen. Vielleicht war die Fußballmeisterschaft schuld daran, vielleicht auch die Tatsache, daß die Schweizer Großstädte doch nicht so harmlos und sicher sind, wie es der erste Anschein suggeriert. Wer mochte das wissen?
    Irgendwo über Lausanne gerieten wir mitten im Wald an einen seltsamen Au s sichtsturm. Große Balken wurden hier zu einer Doppelhelix spiegelverkehrt z u sammengesetzt. Das Ganze war von einer auffällig hohen Holzpalisade umg e ben. Raffiniert ausgedacht, doch der Sinn ist mir unklar geblieben. Eine kleine Gesellschaft feierte darin mit Wein und Antipasti. Das Ding war einfach zu or i ginell, um daran achtlos vorbeizugehen, so beschlossen wir trotz aller Müdi g keit, es zu besteigen. Die Rucksäcke ließen wir einfach unten liegen. Ich witze l te, daß sie sich, bis wir zurückkommen, womöglich vermehren könnten, was Christoph etwas beunruhigen schien. Schließlich war es bis auf weiteres unser ganzer Besitz. Wir stiegen hoch und stellten fest, daß es außer Bäume nichts zu sehen gab, aber wir sahen uns trotzdem alles genau an, wenn wir schon einmal da waren. Wieder unten angekommen, war die Gesellschaft, die zuvor keine N o tiz von uns zu nehmen schien, bereits gegangen. Doch neben dem Gepäck stand eine große, noch verschlossene Flasche Limonade. Ein netter Willkommensgruß unter Wahrung der Schweizer Zurückhaltung und ein großer Fortschritt gege n über der alten Zeit, als in den Wäldern des Jorat noch Räuber über die Pilger herfielen.
    Ohne diese Stärkung wäre uns der steile Abstieg nach Lausanne vielleicht noch bitter lang vorgekommen. Christoph gab sich gelassen, war es aber nicht. Es war schon fast neun Uhr Abend, der Anpfiff des Fußballspiels stand unmittelbar vor. Seine Weltsicht schrumpfte zusehends zu einer großen Leinwand am Seeufer zusammen. Aber wo waren wir und wo das Seeufer. Wie hätten wir wissen so l len, daß die Stadt nicht direkt am See liegt, sondern bestimmt noch fünf Kilom e ter davor. Christophs Schritt wurde immer länger und schneller, aber es half nichts. Fünf Kilometer Entfernung bedeuten für einen Rucksacktouristen eine Stunde Marsch. Ich konnte seine Qualen nicht mehr ansehen. Drei Minuten vor neun Uhr deutete ich auf ein echt vornehmes Restaurant und schlug vor, es dort zu versuchen. Christoph lachte in seiner Not bitter auf, hier mußten wir in uns e ren verschwitzten Klamotten doch wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge wi r ken. Er war aber bereit, es auf einen Versuch ankommen zu lassen – wenn er nicht zu lange dauere. Mir schien die Lage günstig: Kaum Gäste, großer Flac h bildschirm und Fußball darauf. Außerdem habe ich keine Hemmungen in so l chen Sachen, seit ich als armer Student zwecks Geldbeschaffung Staubsauger der Firma Vorwerk verkaufte. Ich war gut darin. Ich marschierte also leger ins Restaurant und fragte den italienischen Pate im kolloquialen Ton, ob unsere E r scheinung an diesem Abend nicht zu geschäftsschädigend sei, und deutete auf Christoph, der draußen von einem auf das andere Bein trat und den Himmel lä s sig zu betrachten vorgab. Es war dann sofort klar: Diesem Pilger zu helfen, ist Christenpflicht, er würde es sich nie verzeihen, sollte er jetzt und heute das Spiel versäumen. Und so kam Christoph zu seinem Fußball, und wir beide zu einer guten Mahlzeit, aber es war alles umsonst, denn auch die Deutschen haben g e gen die Türken verloren. Nach Verlängerung, wie

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