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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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zwanzig Kilometer. Zunächst passierte ich die Ortschaft Seyssel . Der Führer pries den hiesigen, ursprünglich aus Zypern stammenden Weißwein, der Rousette hieß und bereits im 12. Jahrhundert lobe n de Erwähnung fand. Dazu passend gäbe es dann den Tomme de Savoie als t y pisch regionalen Käse. Für Besichtigungen hatte ich nicht viel übrig, doch galt das nicht dem Wein und Käse. Vor vielen Jahren mal reiste ich mit dem Auto durch Südfrankreich und tat nichts anderes, als Wein und Käse zu probieren. Es war eine gute Zeit, und ich hatte eine gute Erinnerung daran. Vor mir lag eine bäuerliche Hügellandschaft ohne Bauernstreß und untern im Tal die Rh  ne, auf die ich neugierig war, weil sie einer der großen, berühmten Ströme Frankreichs ist. Hier am Oberlauf war der Fluß voller Sand- und Kiesbänke. Das grüne Wa s ser floß dazwischen einmal träge, ein andermal rasend schnell. Wegen der zah l reichen Staustu fen standen überall Schilder mit Warnung vor dem Hochwasser. Absolutes Badeverbot. Aus demselben Grund war der Uferweg nur bei Tro c kenheit begehbar. Teilweise gab es noch große Pfützen und Matsch vom letzten Regen. Überall summten Insekten, Vögel pfiffen schrill durch die Baumkronen. Es war schwül und heiß. Im Freien stach die Sonne mit großer Kraft, und das nächste Gewitter stand hinter den Bergen zum Losschlagen bereit. Der Schweiß lief mir am Körper entlang bis hinunter in die Stiefel, tropfte lustig aus den H o senbeinen.
    Meinetwegen hätte es so endlos weitergehen können, auf dem weichen, verwi n kelten Pfad, durch schöne Auen voller ungewohnter, südländischer Vegetation. Als ein großer Campingplatz kam, der die Rückkehr in die Zivilisation ankü n digte, war ich überhaupt nicht froh darüber - trotz aller Strapazen. Dann stand ich plötzlich vor einer urigen bogenförmigen Fußgängerbrücke über den Canal des Savières voller Boote und einer Häuserfront entlang des Kais. Chanaz hieß dieses romantisches Städtchen mit knapp fünfhundert Einwohnern und mind e stens doppelt so vielen Touristen. Ohne die Touristen gäbe es aber nicht das Geld, um den Ort attraktiv zu machen. Es bliebe vermutlich nur ein verlassenes, schäbiges Nest, von dem die Jugend auszieht, um anderswo das Glück zu s u chen. Früher einmal stellte der Kanal noch eine wichtige Handelsverbindung zwischen dem Lac du Bourget mit der Rh  ne dar, aber das war mal. Heute fa h ren die Güter auf der Autobahn und hier nur Ausflugsboote. Was mir nur recht sein konnte. Ich schlenderte herum, genoß die romantische Atmosphäre und hielt ein Auge für etwaige Lebensmittelgeschäfte offen. Die gab es abe r nicht. Oder zumindest nicht hier auf der Hauptstraße.
    Ich besuchte die Kapelle aus dem 15. Jahrhundert, dann noch die hydraulische Ölmühle, und war gerade dabei, den Weg fortzusetzen, als ich über die zwei Engländer vom Vortag stolperte. Sie haben sich es unter dem Sonnendach einer Gartenwirtschaft gemütlich gemacht und luden mich zum Bier ein. Wer würde widerstehen? Aber eigentlich hätte ich es auch besser wissen können. Ich lebte ja lange genug in England und kannte die Sitten. Eine Person bestellt die erste Runde, dann revanchiert sich der Rest auf gleiche Weise. Da man aber, wie es unter den Bajuwaren heißt, nicht auf nur einem Bein stehen kann, kann es auch vorkommen, daß der Erstbesteller aus Lust und Tollerei noch eine weitere Ru n de bestellt. Dann wiederholt sich das Ritual, bis entweder das Lokal schließt, und der Wirt alle Gäste auf die Straße setzt, oder die Trinker nicht mehr können. Aus meiner Erinnerung kannte ich eigentlich nur den ersten Fall, deshalb schlossen in England zu meiner Zeit alle Kneipen schon um elf Uhr abends. Es war gewiß ein weiser Brauch. Hier also waren wir drei Personen, die Sonne stand noch hoch, das Personal war willig und rege, ja man konnte sagen, voller Bewunderung für die britische Trinkfestigkeit, und bis ich mich umsah, hatte ich sechs gute kühle Maß intus. Wenn man freilich bedenkt, daß ich den ganzen Tag wie die Tür vom Stall schwitzte und keinen einzigen Menschen sah oder sprach, so hatte ich sowohl die Flüssigkeit als auch die Unterhaltung recht nötig. Ich mochte die Engländer, Vater und Sohn aus besseren Verhältnissen, und sie mochten offenbar auch mich, und wir alle genossen das zottige englische Unde r statement und lachten viel, und die Franzosen um uns herum spitzten die Ohren und versuchten aus dem nordenglischen Dialekt etwas

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